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Bei Anruf - Angst

Bei Anruf - Angst

Titel: Bei Anruf - Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Wolf
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natürlich Zentralverriegelung bis hin zum
Kofferraum. Die Motorhaube fühlte sich noch warm an.
    Karl schloss wieder ab und TKKG
liefen durch die Nikolai-Straße bis zur Passage und der Tanzschule Hahmelbeyn.
    Als dann alle zu Ivoritzkis
Fenster hoch sahen, wurden sie enttäuscht. Kein Licht.
    „Der Saukerl schläft schon“,
sagte Klößchen. „Schläft selig, obwohl er weiß, dass wir in dem Bunker
eingesperrt sind und langsam verhungern. Grässlich! Für mich ist der Hungertod
von allen Toden der schlimmste. Hat denn dieser Kerl überhaupt kein Gewissen?!
Der behandelt uns ja wie Flüchtlinge aus einer politischen Hungerzone. Ich
könnte ihn erwürgen.“
    Tim hörte Schritte und wandte
sich um.
    Ein Mann bog um die Ecke zur
Nikolai-Straße und trat jetzt in die Passage. Ivoritzki war’s nicht. Dennoch
stockte sein Schritt. Der Typ blickte erstaunt und benötigte offenbar einen
Moment, um sich zu fassen. Dann kam er heran — mit Schlurfschritt, die Hände in
den Taschen der Joppe, Kopf gesenkt, die Zigarette im Mundwinkel. Zweimal wurde
verhalten gerülpst und Tim meinte, den Bieratem zu riechen.
    Hat sich ein paar Helle und
bestimmt auch Schnäpse reingepfiffen, dachte Tim. Eigentlich müssten seine
Empfindungen betäubt sein, denn Alkohol lähmt ja bekanntlich zu allererst die
Kritikfähigkeit, weshalb sich Betrunkene mit jedem Idioten verbrüdern, dummes
Zeug sabbeln und jeden Schmarrn glauben. Dieser Typ hier müsste selig auf einer
Bierwolke schweben. Stattdessen hat ihn unser Anblick erschreckt. Warum? Denn
schreckhaft sieht er eigentlich nicht aus — ungefähr so schreckhaft wie
King-Kong, wenn den ein Schmetterling anfeindet.
    Der Mann wirkte ungepflegt,
trug teure, aber total zerdrückte umweltfähige Klamotten: Lederjoppe,
Cordhosen, Stiefel. Eine zerzauste graubraune Mähne unter einer ostischen
Lederkappe, ein Gesicht zwischen schwammig und furchig — also vom Alkohol
gezeichnet — mit Schnauzbart und engstehenden stechenden Augen, die sich fast
berührten über dem Ansatz der Hakennase. Er war so groß wie Tim, ließ aber die
Schultern hängen und rülpste jetzt zum dritten Mal — gerade als er an Gaby
vorbeiging.
    „Sau!“, sagte Tim. „Wende
wenigstens den Kopf ab — und halt dir die Hand vor den Mund!“

    „Was ist?“ Er hatte eine
kehlige Stimme mit dem Akzent des östlichen Anrainers.
    „Man benimmt sich anständig,
wenn man an einer jungen Dame vorbeigeht!“
    „Was willst du? Ich hab sie
nicht angespuckt.“
    „Mann! Dann würdest du jetzt
verkehrt herum in deiner Jacke stecken. Und deinen Schnurrbart könntest du dir
aus dem Hals ziehen.“
    „Blödes Gemüse!“, murmelte der
Kerl und schlurfte weiter.
    Tim sah, wie er die Hand aus
der Tasche nahm. Etwas blinkte metallisch im Laternenschein. Ein Schlüssel.
Aber der Typ schloss die Faust drumherum und versenkte sie wieder in seine
Joppe.
    „Eklig!“, sagte Gaby leise. „Aber
von so einem kann man nichts anderes erwarten.“
    Alle blickten ihm nach.
Lederjoppe schlurfte durch die Passage, als wäre der geflieste Boden mit
Klebstoff bestrichen und jeder Schritt mühsam. Tim erwartete, dass der Kerl
gleich nach rechts oder links schwenken würde — um eine Haustür anzusteuern und
aufzuschließen. Denn den Schlüssel hielt er ja schon bereit — eindeutig hatte
er den griffgerecht genommen. Doch nichts geschah. Lederjoppe blieb im
Geradeaus-Schlurf, schlief vielleicht schon im Gehen oder hatte seine Adresse
vergessen. Erst am Ende der Passage folgte er der sanften Biegung und
entschwand den Blicken.
    Gerade als Tim was sagen
wollte, näherten sich abermals Schritte — schnelle diesmal, von der Straße her.
    Der blonde Jüngling war’s — der
von vorhin, der in die Spätvorstellung wollte. Er sah irgendwie enttäuscht aus
und knabberte an einer Schoko-Waffel. Jetzt schob er sich den Rest in den Mund
und hob erstaunt die Brauen.
    „Ja, hallo! Seid ihr immer noch
hier?“
    Tims Freunde grinsten und der
TKKG-Häuptling sagte: „Nicht immer noch, sondern schon wieder. Inzwischen haben
wir einiges erlebt. Du hoffentlich auch. Wie waren denn die Heißen Bienen
vom Mars ? So hieß doch dein Film, wenn ich mich richtig erinnere.“
    „Ein saublöder Streifen. Habe
ihn nicht zu Ende angesehen. Da sind ja die Seifenopern im Fernsehen besser.“
TKKG nickten. Der Blonde schloss die Haustür auf. Tim schob sich neben ihn.
    „Wir wollen noch einen Besuch
machen“, meinte er. Einen Moment später waren alle im Haus und die Tür

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