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Bei Anruf - Angst

Bei Anruf - Angst

Titel: Bei Anruf - Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Wolf
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Tim erstarrte nur für einen
Moment, nahm sofort Kampfhaltung ein in Frontstellung zu der geschlossenen Tür.
Würde Ivoritzki Licht machen?
    Nichts geschah. Die Wohnung
blieb still.
    Dann hörten alle, wie unten die
Haustür geöffnet wurde. Das Treppenlicht knackste an. Jemand schlurfte die
Stufen herauf — und dieses Schlurfen kam ihnen seltsam bekannt vor.
    Es endete vor der Wohnung. Ein
Schlüssel wurde ins Schloss geschoben, 100-mal lauter als Karls lautloses
Eindringen. Sofort wieselten TKKG in die Küche. Tim schloss die Tür bis auf
einen fingerbreiten Spalt. Kein Atem! Kein Laut! Tim spürte seine Freunde
hinter sich und überlegte verblüfft. Wenn das Lederjoppe war — was wollte der
hier?
    Jetzt! Er kam in die Diele,
machte Licht, blieb stehen, rülpste.
    Tim hätte ihn erkannt, ohne
hinzusehen. Trotzdem linste er durch den Spalt.
    Ja, es war der beschickerte
Süffeltyp in seinen verknautschten Klamotten. Er schälte sich aus der Joppe.
Sie wurde aufgehängt an der Garderobe neben der Tür. Auch die Mütze landete
dort.

    Der Mann schlurfte in den
Wohnraum, ungeniert laut.
    Und Tim begriff. Von einer
Sekunde zur andern entfaltete sich der Zusammenhang. Auslöser war der
Schlüssel, den der Typ bereitgehalten und dann doch weggesteckt hatte.
    Weil er nicht wollte, dachte
Tim, dass wir sehen, wohin er will — nämlich hierher. Er hat uns nämlich
erkannt. Denn er gehört zu Ivoritzki. Aber hier und vorhin hat er, Lederjoppe,
uns nicht gesehen. Sondern wo? Da gibt’s nur eine Antwort. Draußen bei der
Müllkipperheide, bei den ehemaligen Bombenkellern. Klar doch! Lederjoppe hat
geholfen. Er hat gelauert und hinter uns die Bunkertür dichtgemacht. Muss ja
ein Schock gewesen sein, als er uns eben in der Passage sah — und noch dazu vor
dieser Adresse. Aber er weiß nicht, dass wir mit dem Blonden reingeschlüpft
sind.
    Im Wohnraum waren die Vorhänge
geschlossen und Lederjoppe knipste zwei Stehlampen an. Dann kam er zurück und
Tim ahnte: Der Kerl wollte hierher in die Küche und sich was zum Trinken holen.

11. Olivia soll schwänzen
     
    Dieser Abend und die Stunden
danach — alles das wirbelte Olivias Empfindungen durcheinander. Noch nie hatte
sie sich so verunsichert gefühlt, noch nie hatte sich ein solcher Konflikt vor
ihr aufgetan.
    Olivia Lerchenalt war 14 und
damit neun Jahre jünger als ihr Bruder Dietmar, genannt Dieti — der Schleuser,
der jetzt in Tirol, im Dorf St. Amarusetta, finstere Pläne verfolgte.
    Olivia war ein hübsches
schlankes Mädchen mit langem blondem Haar, heller Haut und großen braunen
Augen, in denen man — seit dem Tode der Eltern — die Schwermut erkennen konnte.
    Vor drei Tagen hatte Olivia
zufällig ein Gespräch belauscht — unabsichtlich — ein Gespräch zwischen ihrem
Bruder und Kuno Ivoritzki. Aus dem Gesagten ging hervor, was die beiden
trieben, womit sie klotzig Geld verdienten, und wie wenig ihnen menschliche
Schicksale bedeuteten.
    Olivia war entsetzt und
schockiert gewesen, hatte sich dann Informationen besorgt über
Menschenschmuggel und Schleuserbanden.
    Niederschmetternd! Und es gab
niemand, mit dem sie darüber reden konnte. Am wenigsten mit ihrem Bruder. In
ihrer seelischen Not hatte sie sich heute Abend entschlossen, beim Sorgofon für
Kids anzurufen. Und sie war da an eine wirklich nette und offenbar einfühlsame
Beraterin gekommen — aber das Gespräch hatte abrupt geendet, denn Kuno
Ivoritzki, bei dem sie zur Zeit in vermeintlicher Obhut war, stürmte herein und
unterbrach die Verbindung.
    Er hatte genug gehört, um zu
begreifen, was lief. Er hatte sich mühsam beherrscht, hätte sie aber beinahe
geschlagen. Immerhin konnte sie ihm glaubhaft versichern, dass sie keinen Namen
genannt hatte und keine Adresse.
    Trotzdem — er traute ihr nicht
ganz, rechnete damit, dass man — die Polizei, natürlich — bei ihm antanzen
könnte, und beugte vor, indem er sie wegbrachte: weg aus seiner Wohnung in der
Passage. Aber nicht etwa zurück in das kleine Haus, in dem Dietmar und sie
lebten — es war das gemeinsame Elternhaus sondern zu jemanden, den sie nicht
kannte.
    Zu einem gewissen Dr. Heribert
Specht, einem Chemiker. Der — das hatte Kuno versichert — wisse von gar nichts,
sei ein netter zuverlässiger Freund und werde sich um sie kümmern.
    Olivia bezweifelte, ob Specht
wirklich von nichts wusste. Aber darauf kam es jetzt schon gar nicht mehr an.
Denn sie hatte Kuno versprechen müssen, nie wieder so etwas zu unternehmen wie
heute Abend.
    „Du

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