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Bei Anruf - Angst

Bei Anruf - Angst

Titel: Bei Anruf - Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Wolf
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oder
ins Ausland. Deshalb also waren die Glocknerschen Kollegen in der Wohnung
postiert.
    Havliczek wurde jetzt zum
zweiten Mal herein geführt. Er musste sich auf den Verhörsessel setzen, der
allerdings nicht unbequemer war als die anderen Plätze. Richtig komfortabel,
dachte Tim, ist nur Glockners Schreibtischsessel. Aber der muss ja auch
ermüdungsfreies Sitzen ermöglichen für den größten Teil des Tages.
    Havliczek wirkte schlaff wie
eine Billig-Unterhose nach der 300. Vollwäsche.
    „Ich protestiere“, meinte er
schwach. „Diese nächtlichen Verhöre — das ist ja Folter.“
    „Es liegt an Ihnen“, erwiderte Glockner,
„wie schnell Sie auf die Pritsche kommen — auf eine gemütliche Pritsche in
einer U-Haft-Zelle. Denn Untersuchungshaft ist angeordnet, wie Sie ja wissen.“
    Havliczek zuckte die Schultern,
was wohl heißen sollte, er wisse das zwar, aber es ginge ihn nichts an.
    „Ich fasse zusammen“, sagte Glockner,
„die Schleuser-Organisation, für die Sie als Fahrer arbeiten, hat Sitz in Prag,
Warschau und Budapest. Die führenden Köpfe sind Ihnen angeblich nicht bekannt.
Sie leisten nur die grobe Arbeit vor Ort — und zwar zusammen mit Kuno
Ivoritzki, Adolf Westermeier, Beate Welkhalm in Hamburg — die vorhin bereits
festgenommen wurde — und Bodo Leunig, dem Bruder des Mädchens Olivia, das meine
Tochter beim Sorgofon anrief. Haben Sie dem was hinzuzufügen?“ Havliczek
schüttelte den Kopf.
    „Sie wissen nicht, wo sich
Olivia befindet — wohin Ivoritzki sie gebracht hat?“
    „Nein. Keine Ahnung.“
    „Leimig und Westermeier befinden sich
in Tirol — in St. Amarusetta?“
    „Das sagte Bodo vorhin am
Telefon.“
    „Ihnen ist nicht bekannt, was
sie dort vorhaben?“
    „Keine Ahnung.“
    „Die Namen Leunig und
Westermeier sind richtig?“
    „Ja, doch.“
    „Westermeiers gibt es sehr
viele in unserer großen Stadt. Die Überprüfung wird sicherlich zwei Tage
dauern. Leunigs haben wir nur drei — und keinen Bodo.“
    Havliczek hob abermals die
Schultern. Der Blick flackerte.
    „Sie haben keine Telefonnummer
— der beiden?“
    „Meine Kontaktperson war immer
nur Ivoritzki.“
    „Höchst unwahrscheinlich. Es
wäre geradezu dumm, eine kriminelle Organisation so aufzuziehen.“
    „Ich... ich habe nur die
Fahrten gemacht. Für alles andere bin ich nicht zuständig.“
    „Ich habe mich über die Grenzen
hinweg mit den Kollegen in Verbindung gesetzt, die für St. Amarusetta zuständig
sind. Sowas geht jetzt viel rascher als früher. Ein Vorteil, den uns das
vereinte Europa beschert. Die dortigen Kollegen sind auf der Suche nach Leunig
und Westermeier — und werden sich, hoffe ich, bald melden.“
    Havliczek schwieg.
    Stille im Büro. Weiter vorn im
Flur wurde eine Tür geschlossen. In der Heizung gluckerte Wasser.
    „Sie rechnen mit einem
negativen Ergebnis, Herr Glockner“, sagte Tim.
    Gabys Vater nickte. „Ich bin
ziemlich sicher, dass er uns falsche Namen genannt hat. Für so etwas entwickelt
man mit der Zeit ein Gespür.“
    Gaby schaltete sich ein. „Olivia
hat zu mir gesagt, ihr Bruder und sein Kumpel hätten auch dort ein Verbrechen
vor. Aber etwas anderes. Es hätte mit Likör zu tun.“ Sie pustete gegen ihre
goldblonden Stirnfransen. „Was kann denn das sein, Papi? Ein Verbrechen mit
Likör? Wollen die jemanden vergiften?“
    Glockners Miene war
nachdenklich. „St. Amarusetta — das ganze Dorf steht für Likör.“
    „Ah!“, rief Klößchen. „Ich
weiß, was Sie meinen. Es gibt einen Likör, der so heißt. Amarusetto. Die
Flasche steht bei meinem Vater in der Hausbar. Manchmal — aber wirklich nur
manchmal — trinkt meine Mutter ein Schlückchen zum Mokka. Ist wohl ein
Damenlikör? Ich mag ja nur Kakao und Cola. Und mein Vater trinkt Burgunder. Ich
glaube, das ist Wein.“
    Glockner lächelte. „Amarusetto
ist tatsächlich ein weltberühmter Kräuterlikör. In St. Amarusetta wird er
hergestellt. Meines Wissens von Mönchen. Die produzieren ihn nach einem alten,
komplizierten Rezept. Das Rezept ist streng geheim.“
    Streng geheim? Tim überlegte.
Das Reizwort versetzte seiner Phantasie einen Kick. Wenn etwas streng geheim
ist, dachte er, ist es doch sicherlich toll und lohnend, das Geheimnis zu
lüften. Aber was würde das bringen? Schließlich sind die Typen Schleuser und
keine Likör-Fabrikanten. Es sei denn, sie wollen das Rezept verkaufen. Oder ein
Anschlag auf den Amarusetto soll erfolgen — eine vernichtende Sabotage, eine
Zerstörung der

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