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Bei Einbruch der Nacht

Bei Einbruch der Nacht

Titel: Bei Einbruch der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fred Vargas
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Soliman fort. »Daß sie sich allmählich fragen muß, was wir da anstellen? Ob wir sie womöglich vergessen? Ob wir uns nicht vielleicht mit Wein abfüllen und auf alles andere pfeifen?«
    »Nein, Sol, das glaube ich nicht.«
    »Nein, Camille? Warum bist du dann hier?«
    »Erinnerst du dich nicht? Um den Laster zu fahren.« Soliman richtete sich auf und wischte sich über die Stirn. Er regte sich auf. Er regte sich viel zu sehr über sie auf. Vielleicht weil er sie begehrte und ihm nicht ganz klar war, wie er diese verdammten letzten fünfzig Meter überwinden sollte, die ihn von ihr trennten. Es sei denn, Camille machte eine Geste, aber sie machte keine. Camille hatte in diesem Laster fast die gesamte Macht, und das war anstrengend. Die Macht über die Verführung, die Macht über das Steuerrad und die Macht weiterzumachen, wenn sie nur geruhte, diesen besonderen Bullen anzurufen.
    Halb geschlagen setzte sich Soliman wieder.
    »Es ist nicht wahr, daß du nur da bist, um den Laster zu fahren.«
    »Nein.«
    »Du bist da wegen Suzanne, du bist da wegen Lawrence, du bist da wegen Massart, um ihn in die Enge zu treiben, bevor er noch andere niedermacht.«
    »Kann sein«, erwiderte Camille und leerte ihr Glas.
    »Vielleicht hat er schon wieder einen niedergemacht«, fuhr Soliman hartnäckig fort. »Aber das erfahren wir ja nicht mal. Wir sind nicht in der Lage, auch nur an die kleinste Auskunft über einen Blutsauger heranzukommen, den nur wir allein kennen. Den nur wir allem stoppen können.«
    Camille stand auf.
    »Außer natürlich, wenn du diesen Bullen anrufst.«
    »Ich geh schlafen«, sagte sie. »Gib mir dein Handy.«
    »Rufst du ihn an?« fragte der junge Mann und begann zu strahlen.
    »Nein, ich würde gern Lawrence anrufen.«
    »Aber der Trapper ist uns völlig egal.«
    »Mir nicht.«
    »Denk doch mal nach, Camille. Das Zaudern ist der Luxus der Weisen. Willst du die Geschichte von dem Mann hören, der nicht zögern wollte?«
    »Nein«, erwiderte der Wacher.«
    »Nein«, erwiderte Camille. »Die Weisheit langweilt mich.«
    »Dann denk nicht nach. Handle. Die Kühnheit ist der Luxus der starken Geister.«
    Camille lächelte und umarmte Soliman. Beim Wacher zögerte sie, gab ihm die Hand und verschwand hinter der Plane.
    »Scheiße«, brummte Soliman.
    »Zäh«, kommentierte der Wacher.

23
    Camille wachte gegen sieben Uhr ganz von allein auf, ein deutliches Zeichen, daß Spannungen und Widersprüche in der Luft lagen. Möglicherweise auch ein Zeichen für heimtückischen Wein.
    Sie hatte Lawrence am Vorabend noch erreicht und sich gefreut, die Stimme des Kanadiers zu hören, wenn es auch nur Stimmfragmente gewesen waren. Am Telefon war Lawrence noch einsilbiger als sonst. Bei ihm im Mercantour blieb Crassus der Kahle unauffindbar. Fast alle anderen bekannten Wölfe waren in ihren Revieren erfaßt worden, aber der große Crassus fehlte noch immer beim Appell. Augustus verschlang noch immer Wildkaninchen, und Mercier wunderte sich, daß der Alte mit seinen kaputten Zähnen so gut durchhielt. »Siehst du«, hatte er zu Lawrence gesagt, »wenn man will, kann man auch.« Und Lawrence hatte schweigend genickt. Der Kanadier hatte mit Sorge von der Ermordung Jacques-Jean Sernots erfahren. Ja, er hatte an Massart gedacht. Aber ihm gefiel die brutale Wendung nicht, die dieses Wettrennen durchs Gebirge annahm. Ihm gefiel die Vorstellung nicht, daß Camille sich unmittelbar hinter Massart befand, allein in diesem Laster und sehr exponiert. Und die Vorstellung, daß Camille in diesem stinkenden Laster mit den beiden Typen eingeschlossen war, gefiel ihm sowieso nicht. Mit egal welchen Typen in egal welchem Laster. Nein, er hatte nichts dagegen, daß ein Bulle sich einmischte, ganz im Gegenteil. Alles, was sie von Anfang an gewollt hatten, war doch, daß ein Bulle sich einmischte, oder? Also, wenn sie einen kannte, sollte sie ihn anrufen, besonders oder nicht besonders, was sollte das ändern, Hauptsache, er war Bulle. Er wäre erfolgreicher als sie drei, vorausgesetzt, er würde sich für diesen Werwolf interessieren. Vorausgesetzt. Lawrence war davon überzeugt, daß die Einmischung eines Bullen der Abenteuerreise der Frau, des Greises und des Kindes sofort ein Ende bereiten würde. Und das war das, was er sich am meisten wünschte. Er würde versuchen, sie am folgenden Abend am Laster zu treffen, mit ihr zu reden, mit ihr zu schlafen, sie solle ihm Bescheid geben, wann sie weiterführe.
    Camille lag auf dem Rücken und sah

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