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Bei Einbruch der Nacht

Bei Einbruch der Nacht

Titel: Bei Einbruch der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fred Vargas
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Mann.
    »Einfach nur abwesend«, korrigierte Danglard in anderem Tonfall. »Geben Sie mir Ihren Namen und Ihre Adresse. Ich übermittle ihm eine Nachricht, und er wird Sie zurückrufen.«
    »Das wird nicht funktionieren«, sagte Camille, deren Anspannung nachließ. »Das Handy ist halb leer, und ich stehe am Straßenrand.«
    »Ihr Name?« fragte Danglard beharrlich nach.
    »Camille Forestier.«
    Der Inspektor richtete sich auf seinem Stuhl auf, schickte seinen Kollegen mit einer Geste hinaus und schaltete den Lautsprecher ab. Camille Forestier, die Tochter von Mathilde, die einzige Tochter von Königin Mathilde. Das Mädchen, das Adamsberg bisweilen, manchmal kurz, manchmal eine ganze Zeitlang auf der Oberfläche des Globus zu orten versuchte, so wie man eine Wolke sucht, und das er dann vergaß. Und mit der Nervosität eines Menschen, der seit Tagen auf Fischfang ist und plötzlich merkt, daß die Leine Widerstand zeigt, griff er nach einem weiteren Blatt.
    »Ich höre«, sagte er.
    Vorsichtig befragte Danglard Camille fast eine Viertelstunde, bevor er sich ihrer Identität sicher war. Er war ihr nie begegnet, aber er hatte ihre Mutter gut genug gekannt, um Camille über eine Unmenge von Details zu befragen, die Sabrina Monge - selbst wenn sie sich sehr gut informiert hätte - nie hätte herausfinden können. Und mein Gott, war die Mutter schön.
    Ganz benommen von Danglards Fragefluß legte Camille auf. Adamsberg wurde so abgeschirmt, als ob ihm eine ganze Kolonne von Killern auf den Fersen wäre. Ihr schien, als habe die Erinnerung an ihre Mutter viel dazu beigetragen, das Sperrfeuer des Inspektors zu überwinden. Sie lächelte. Königin Mathilde war allem schon ein Passierschein, das war schon immer so gewesen. Adamsberg war in Avignon, sie hatte den Namen des Hotels und seine Telefonnummer.
    Nachdenklich ging sie eine ganze Weile mit großen Schritten am Rand der Route nationale auf und ab. Sie hatte eine ungefähre Vorstellung davon, wo Avignon auf der Frankreichkarte lag, und es schien ihr nicht allzuweit entfernt zu sein. Adamsberg direkt zu sprechen statt am Telefon erschien ihr plötzlich deutlich ratsamer. Sie fürchtete dieses Gerät, das für alle etwas delikateren Situationen untauglich war. Das Telefon war für grobe und halbgrobe Gespräche konstruiert, aber keinesfalls für Diffiziles. Und einen Mann anzurufen, den man seit Jahren nicht mehr gesehen hat, einen Mann, der offenbar versteckt lebte, um ihn in einer zweifelhaften Werwolfgeschichte, die niemanden interessierte, um Hilfe zu bitten, erschien ihr plötzlich ein Ungewisses, fast albernes Unterfangen. Ihn zu treffen bot größere Hoffnungen auf Erfolg.
    Soliman und der Wacher erwarteten sie am Heck des Lasters in der inzwischen gewohnten Haltung, der junge Mann auf den Metallstufen sitzend, der Schäfer aufrecht an seiner Seite, den Hund auf seinen Füßen liegend.
    »Er ist in Avignon«, sagte Camille. »Ich habe ihn nicht erreicht. Ich denke, wir müßten da hinfahren können.«
    »Weißt du nicht mal, wo Avignon liegt?« fragte Soliman.
    »Ich weiß es gelegentlich. Ist es weit?«
    Soliman sah auf die Uhr.
    »Wir fahren südlich von Valence auf die Autobahn«, sagte er, »und lassen uns die Rhone hinuntertreiben. Gegen eins können wir dort sein. Willst du nicht anrufen?«
    »Es ist besser, ihn zu sehen.«
    »Und warum?«
    »Er ist besonders«, erwiderte Camille achselzuckend.
    Der Wacher streckte die Hand aus, um Camille um das Handy zu bitten.
    »Es ist fast leer«, sagte Camille. »Es muß aufgeladen werden.«
    »Es dauert nicht lang«, brummte der Wacher und entfernte sich.
    »Wen ruft er an?« fragte Camille Soliman.
    »Die Herde. Er ruft kurz bei der Herde an.«
    Camille runzelte die Stirn.
    »Und wer nimmt ab?« fragte sie. »Ein Schaf? Mauricette?«
    Soliman schüttelte gereizt den Kopf.
    »Buteil natürlich. Aber dann... Na ja... Buteil reicht ihm ein paar Tiere. Das hat er gestern schon gemacht. Er ruft jeden Tag an.«
    »Willst du damit sagen, daß er mit den Schafen redet?«
    »Natürlich. Mit wem sonst? Er sagt ihnen, daß sie sich keine Sorgen machen sollen, daß sie ordentlich fressen und nicht schlapp machen sollen. Er redet vor allem mit dem Leitschaf. Das ist normal.«
    »Willst du damit sagen, daß Buteil dem Leitschaf den Hörer ans Ohr drückt?«
    »Scheiße, verdammt, ja«, rief Soliman. »Wie soll er es denn sonst machen?«
    »Schon gut«, sagte Camille. »Ich will dich nicht nerven. Ich erkundige mich nur.«
    Sie

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