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Bei Einbruch der Nacht

Bei Einbruch der Nacht

Titel: Bei Einbruch der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fred Vargas
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wohin wir fahren.«
    »Na und?« erwiderte Soliman. »Wir werden immer hinterherhinken. Wir werden ihn nie überraschen können, wenn wir hinter ihm bleiben, nicht? Wir müßten vor ihm sein. Und um vor ihm zu sein, müßten wir wesentlich mehr wissen. Wir sind zu nichts nutze. Wir folgen ihm, wir schleichen uns an, aber wir können ihn nicht fassen. Wir fahren nach Hause, Camille.«
    »Wann?«
    »Heute, wenn du dich in der Lage fühlst, die Pässe noch mal zu überqueren. Wir könnten heute abend in Les Écarts sein.«
    »Dann wären zumindest die Tiere zufrieden«, murmelte der Wacher. »Sie fressen nicht ordentlich, wenn ich nicht da bin.«
    Camille trank ihren Kaffee und fuhr sich mit der Hand durchs Haar.
    »Mir gefällt das nicht«, sagte sie.
    »So ist das«, erwiderte Soliman. »Steck deinen Stolz weg. Kennst du die Geschichte von den drei Unwissenden, die hinter das Geheimnis von dem Baum mit den hundertzwanzig Asten kommen wollten?«
    »Und wenn ich anrufe?« fragte Camille. »Und wenn ich diesen Bullen anrufe?«
    »Wenn du diesen Bullen anrufst, wird daraus die Geschichte von den drei Unwissenden und dem begabten Typen, die hinter das Geheimnis des unbehaarten Mannes kommen wollten.«
    Camille nickte und dachte ein paar Minuten nach. Soliman versuchte, lautlos zu kauen, der Wacher beobachtete Camille, aufrecht, die Hände auf den Knien.
    »Ich rufe den Bullen an«, sagte sie und stand auf.
    »Du lenkst hier«, erwiderte Soliman.

24
    »Ich vertrete ihn«, wiederholte Inspektor Adrien Danglard zum dritten Mal am Telefon. »Geht es um eine Anzeige? Raub? Bedrohung? Überfall?«
    »Etwas Persönliches«, erklärte Camille. »Etwas streng Persönliches.«
    Sie hatte gezögert, dieses Wort zu verwenden. Es mißfiel ihr, »etwas Persönliches« zu sagen, als ob dieser Ausdruck ihre Rechte überschritte, eine Bindung schaffte, wo sie keine wünschte. Es gab solche Wörter, sie waren wie Aufsässige, die unaufhörlich in Gebiete vordrangen, in denen sie nichts zu suchen hatten.
    »Ich vertrete ihn«, sagte Danglard in sachlichem Tonfall. »Erklären Sie mir den Grund Ihres Anrufs genauer.«
    »Ich möchte den Grund meines Anrufs nicht genauer erklären«, erwiderte Camille ruhig. »Ich möchte mit Kommissar Adamsberg sprechen.«
    »Persönlich, wie?«
    »Genau das habe ich gesagt.«
    »Sind Sie hier im 5. Arrondissement? Von wo rufen Sie an?«
    »Von einem Straßenrand im Departement Isère, am Rand der Route nationale 75.«
    »Das gehört nicht zu unserem Zuständigkeitsbereich«, sagte Danglard. »Da müßten Sie die örtliche Gendarmerie aufsuchen.«
    Er griff nach einem Blatt Papier, schrieb in großen Buchstaben einen Namen darauf, Sabrina Monge, und hielt ihn mit einem Kopfnicken seinem Kollegen hin, der rechts von ihm saß. Mit der Bleistiftspitze schaltete er den Lautsprecher ein.
    Camille dachte daran aufzulegen. Das lag nahe, der Inspektor blockte ab, das Schicksal war gegen sie. Man wollte ihr Adamsberg nicht geben, und sie würde nicht darum kämpfen, mit ihm zu reden. Aber Camille hatte, wenn ein Kampf einmal begonnen war, wenig Talent zum Aufgeben, ein Mangel an Unterwürfigkeit, der sie schon oft viel Energie gekostet und nichts gebracht hatte.
    »Ich glaube, Sie verstehen mich nicht«, sagte sie geduldig.
    »Sehr gut«, erwiderte Danglard. »Sie wollen mit Kommissar Adamsberg sprechen. Aber mit Kommissar Adamsberg kann man nicht sprechen.«
    »Ist er abwesend?«
    »Er ist unerreichbar.«
    »Es ist wichtig«, sagte Camille. »Sagen Sie mir, wo ich ihn finden kann.«
    Danglard nickte seinem Kollegen erneut zu. Diese Sabrina offenbarte ihre Pläne mit unvorstellbarer Naivität. Sie hielt die Bullen wirklich für Idioten.
    »Unerreichbar«, wiederholte Danglard. »Entschwunden, aufgelöst. Es gibt keinen Kommissar Adamsberg mehr. Ich vertrete ihn.«
    Es herrschte kurze Zeit Stille im Telefon.
    »Tot?« fragte Camille zögernd.
    Der Inspektor runzelte die Stirn. Sabrina Monge hätte nicht diesen Tonfall gehabt. Danglard war ein Mann mit feinem Gespür. Er hatte weder das Mißtrauen noch die Wut, die er von Sabrina erwartete, in dieser Stimme gehört. Das Mädchen, das er in der Leitung hatte, war einfach nur ungläubig und aus der Fassung gebracht.
    Camille wartete angespannt, mehr verblüfft als ängstlich, als habe ihr jemand mitgeteilt, daß das ewige Schilfrohr schließlich gebrochen sei. Unmöglich. Sie hätte es in der Zeitung gelesen, sie hätte es erfahren, Adamsberg war ein bekannter

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