Bei Einbruch der Nacht
herauszufinden.«
»Hm...«, brummte der Wacher, während er Adamsberg einschenkte. »Ich habe die List kapiert. Aber der Mann ist ein Werwolf, Junge. Schon möglich, daß er seine Opfer aussucht, da widersprech ich dir nicht. Sicher wird er sich Feinde gemacht haben, als er Stuhlflechter war. Aber er bringt sie als Werwolf um. Das ist die Sache. Du wirst's sehen, wenn man ihn erwischt.«
»Ich werd's sehen.«
»Nicht sicher, daß man ihn erwischt. Mir scheint, daß wir ein ganzes Weilchen warten werden.«
»Na, dann warten wir. Wir warten so lange, wie nötig. Hier. Unter dem Pflaumenbaum.«
»Ganz genau, Junge. Wir warten auf ihn. Und wenn es sein muß, bleiben wir hier bis ans Ende unsres Lebens.«
»Warum nicht?« meinte Adamsberg etwas resigniert.
»Nur, wenn wir warten, müssen wir dran denken, Wein aufzutreiben.«
»Wir werden dran denken.«
Der Wacher trank einen Schluck.
»An diese Motorradfahrer neulich«, fuhr er dann fort, »müssen wir auch denken.«
»Die vergesse ich nicht.«
»Das ist Gesindel. Ohne das Gewehr hätten sie meinen Soliman massakriert und deine Camille abgemurkst. Glaub mir.«
»Ich glaube dir. Sie ist nicht meine Camille.«
»Du hättest mich nicht daran hindern sollen zu schießen.«
»Doch.«
»Ich hätte auf die Beine gezielt.«
»Ich glaube nicht.«
Der Wacher zuckte mit den Achseln.
»Sieh da«, bemerkte er. »Da kommen sie zurück. Die junge Frau und der Trapper.«
Der Wacher folgte den hellen Silhouetten, die die Landstraße entlanggingen, mit dem Blick. Camille stieg als erste in den Laster, Lawrence blieb zögernd vor den beiden Türflügeln am Heck stehen.
»Was macht er da?« fragte der Wacher.
»Der Geruch«, vermutete Adamsberg. »Der Wollschweiß.«
Der Schäfer brummte irgend etwas vor sich hin, während er den Kanadier mit hochmütigem Blick musterte. Lawrence schien eine Entscheidung getroffen zu haben. Er warf seine Haare zurück und sprang mit einem Satz in den Laster, wie jemand, der taucht.
»Anscheinend ist er traurig, weil der alte Wolf gestorben ist, um den er sich gekümmert hat«, nahm der Wacher das Gespräch wieder auf. »Das sind die Dinge, um die sie sich im Mercantour kümmern. Die Alten ernähren. Anscheinend geht er auch wieder nach Kanada zurück. Das ist nicht gerade die Tür nebenan.«
»Nein.«
»Wird versuchen, nicht allein zu gehen.«
»Mit dem alten Wolf?«
»Der alte Wolf ist gestorben, hab ich dir gesagt. Er wird versuchen, Camille mitzunehmen. Und sie wird versuchen, ihm zu folgen.«
»Ohne Zweifel.«
»Da müssen wir auch dran denken.«
»Das geht dich nichts an, Wacher.«
»Wo wirst du die Nacht schlafen?«
Adamsberg zuckte mit den Achseln.
»Unter dem Pflaumenbaum hier. Oder in meinem Auto. Es ist nicht kalt.«
Der Wacher nickte zustimmend, füllte die beiden Gläser und schwieg.
»Liebst du sie?« fragte er schließlich mit seiner dumpfen Stimme.
Adamsberg zuckte erneut mit den Achseln, ohne zu antworten.
»Mir ist es schnurz, wenn du nichts sagst«, bemerkte der Wacher, »ich bin nicht müde. Ich habe die ganze Nacht, um dir die Frage zu stellen. Wenn die Sonne aufgeht, wirst du mich hier antreffen und ich werde sie dir wieder stellen bis du mir antwortest. Und wenn wir beide in sechs Jahren noch immer hier sind und unter dem Pflaumenbaum auf Massart warten, dann werd ich dich immer noch fragen. Mir ist es schnurz. Ich bin nicht müde.«
Adamsberg lächelte und trank einen Schluck Wein.
»Liebst du sie?« fragte der Wacher.
»Du nervst mit deiner Frage.«
»Das beweist, daß es eine gute Frage ist.«
»Ich habe nicht gesagt, sie sei schlecht.«
»Mir schnurz, ich habe die ganze Nacht. Ich bin nicht müde.«
»Wenn man eine Frage stellt«, sagte Adamsberg, »dann, weil man die Antwort bereits kennt. Ansonsten hält man die Klappe.«
»Das stimmt«, erwiderte der Wacher. »Ich kenne die Antwort bereits.«
»Siehst du.«
»Warum überläßt du sie anderen?«
Adamsberg schwieg.
»Mir schnurz«, sagte der Wacher. »Ich bin nicht müde.«
»Scheiße, Wacher. Sie gehört mir nicht. Niemand gehört jemandem.«
»Red dich nicht mit deiner Moral raus. Warum überläßt du sie anderen?«
»Frag den Wind, warum er nicht auf dem Baum bleibt.«
»Wer ist der Wind? Du? Oder sie?«
Adamsberg lächelte.
»Wir wechseln uns ab.«
»Das ist gar nicht so schlecht, Junge.«
»Aber der Wind verschwindet«, sagte Adamsberg.
»Und der Wind kommt zurück«, erwiderte der Wacher.
»Das ist das Problem. Der
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