Bei Einbruch der Nacht
der Kerze?« fragte Soliman. »Der Wacher kann sie auf seinen Knien halten.«
»Nein«, sagte Camille. »Ich bleibe in Bourg. Lawrence kommt heute abend.«
Es gab eine kurze Stille.
»Ah, gut«, sagte Adamsberg. »Laurence kommt heute abend. Gut.«
»Der Trapper kann uns auch weiter nördlich treffen«, meinte Soliman. »Was kann ihm das ausmachen?«
Camille schüttelte den Kopf.
»Er ist schon unterwegs, ich kann ihn nicht mehr erreichen. Ich habe mich in Bourg mit ihm verabredet, ich bleibe in Bourg.«
Adamsberg nickte.
»Gut«, sagte er. »Bleib in Bourg. Das ist normal. Das ist o.k.«
Adamsberg und Soliman besichtigten neunzehn Kirchen, bevor sie fast neunzig Kilometer nördlich von Bourgen-Bresse in einer kleinen Dorfkirche in Saint-Pierre-du-Cenis fünf Kerzen entdeckten, die abseits der anderen standen und ungefähr in Form eines M angeordnet waren.
»Das ist er«, sagte Soliman. »In Tiennes war es genauso.«
Adamsberg nahm eine neue Kerze, zündete sie an der Flamme einer anderen an und steckte sie in die Halterung.
»Was machst du da?« sagte Soliman verblüfft. »Willst du beten?«
»Ich vergleiche.«
»Trotzdem. Wenn du eine Kerze aufstellst, mußt du beten. Und du mußt die Kerze bezahlen. Sonst wird man nicht erhört.«
»Bist du gläubig, Sol?«
»Ich bin abergläubisch.«
»Aha. Das muß anstrengend sein.«
»Sehr.«
Adamsberg neigte den Kopf und betrachtete die Kerzen.
»Sie sind zu einem Drittel abgebrannt«, stellte er fest. »Wie müssen sie noch mit der aus dem Lastwagen vergleichen, aber Massart war wahrscheinlich vor ungefähr vier Stunden hier. Zwischen drei und vier Uhr heute nachmittag. Das ist eine einsame Ecke hier. Er muß sich in die leere Kirche geschlichen haben.«
Er schwieg und betrachtete lächelnd die Kerzen.
»Was bringt uns das jetzt eigentlich?« fragte Soliman. »Er ist jetzt weit weg. Wir wissen schon, daß er Kerzen anzündet.«
»Hast du immer noch nicht verstanden, Sol? Diese Kirche liegt auf seinem Weg. Das bedeutet, daß er nicht abgewichen ist. Er klebt an seiner Route. Das heißt, daß nichts zufällig ist. Wenn er hier vorbeikommt, dann, weil er es muß. Jetzt wird er nicht mehr von seinem Weg abweichen.«
Bevor sie gingen, warf Adamsberg noch drei Francs in ein Körbchen.
»Ich wußte, daß du dir etwas gewünscht hast«, sagte Soliman.
»Ich habe nur die Kerze bezahlt.«
»Du lügst. Du hast dir etwas gewünscht. Ich habe es an deinen Augen gesehen.«
Adamsberg parkte den Wagen etwa zwanzig Meter vom Viehtransporter entfernt. Er zog langsam die Handbremse. Weder er noch Soliman stiegen aus. Der Wacher hatte ein Feuer gemacht, das er mit dem eisenbeschlagenen Ende seines Stockes schürte. Neben ihm, den Blick in die Flammen gerichtet, hatte ein großer, schöner Mann in einem weißen T-Shirt, mit blonden, schulterlangen Haaren, seinen Arm um Camilles Schultern gelegt. Adamsberg musterte ihn eine ganze Weile, ohne sich zu rühren.
»Das ist der Trapper«, erklärte Soliman endlich.
»Das sehe ich.«
Die beiden Männer schwiegen erneut.
»Das ist der Typ, der mit Camille zusammenlebt«, fuhr Soliman fort, als wolle er es sich selbst noch einmal erklären, um sich wirklich davon zu überzeugen. »Das ist der Typ, den sie gewählt hat.«
»Das sehe ich.«
»Sehr schön, sehr solide, keine kalten Augen. Und er hat Ideen«, fügte Soliman hinzu und tippte an seine Stirn. »Man kann nicht sagen, daß Camille eine schlechte Wahl getroffen hat.«
»Nein.«
»Man kann ihr nicht vorwerfen, daß sie sich diesen und keinen anderen Typen ausgesucht hat, nicht wahr?«
»Nein.«
»Camille ist frei. Sie kann sich aussuchen, wen sie will. Denjenigen, der ihr am besten gefällt. Wenn es dieser hier ist, na gut, dann wählt sie eben den, nicht wahr?«
»Ja.«
»Außerdem entscheidet schließlich sie. Nicht wir. Nicht die anderen. Sie ist es. Ich weiß nicht, was man darüber zu sagen haben sollte, nicht wahr?«
»Nein.«
»Und letztendlich hat sie ja keine schlechte Wahl getroffen. Oder? Ich weiß nicht, warum wir uns da einmischen sollten.«
»Nein. Wir mischen uns nicht ein.«
»Nein, nicht eine Sekunde.«
»Das geht uns auch wirklich nichts an.«
»Nein, wirklich nicht.«
»Nein«, wiederholte Adamsberg.
»Was machen wir?« fragte Soliman nach einer erneuten Pause. »Steigen wir aus?«
Der Wacher befestigte ein Gitter über der Glut und legte nachlässig zwei Reihen mit Koteletts und Tomaten darauf.
»Wo hast du den Grill her?« fragte
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