Bei Einbruch der Nacht
ihn Soliman.
»Das ist ein Hühnergitter. Buteil hatte ihn im Lastwagen gelassen. Die Hitze desinfiziert alles.«
Der Wacher sah zu, wie das Fleisch grillte, und verteilte danach schweigend die einzelnen Stücke.
»Die Kerzen?« fragte Camille.
»Fünf in Saint-Pierre-du-Cenis«, sagte Adamsberg. »Er muß sie gegen drei Uhr angezündet haben. Er klebt an der Route. Was uns betrifft, wir müssen noch heute abend weg von hier, Camille. Jetzt, wo Laurence da ist, können wir ja weiterfahren.«
»Willst du nach Saint-Pierre?«
»Da ist er nicht mehr. Er ist schon weiter. Falte die Karte auseinander, Sol.«
Soliman stellte die Gläser auf die Seite und breitete die Karte auf der Kiste aus.
»Siehst du«, sagte Adamsberg und verfolgte die Route mit der Spitze seines Messers, »der Weg knickt hier ab und führt genau in westlicher Richtung nach Paris. Auch wenn er es vermeiden will, die Autobahn zu überqueren, hätte er schon früher abbiegen können, hier, auf der kleinen Straße, oder auch hier. Statt dessen macht er einen Schlenker von dreißig Kilometern. Das ist unsinnig, es sei denn, er will unbedingt durch Beicourt hindurch.«
»Das springt nicht gerade ins Auge.«
»Nein«, sagte Adamsberg.
»Massart tötet zufällig, wenn man ihm in die Quere kommt.«
»Das ist gut möglich. Aber trotzdem würde ich gern heute abend nach Beicourt fahren. Das Städtchen scheint nicht allzu groß zu sein. Wenn irgendwo ein Kreuz steht, werden wir es finden und uns dort aufstellen.«
»Ich glaube nicht daran«, sagte Soliman.
»Ich schon«, meldete sich plötzlich Lawrence zu Wort. »Nicht sicher, aber sehr wahrscheinlich. Bullshit. Hat schon genug Morde begangen.«
»Wenn wir ihn in Beicourt stören«, sagte Soliman und wandte sich dem Kanadier zu, »wird er anderswo töten.«
»Nicht sicher. Hat feste Vorstellungen.«
»Er sucht die Schafe«, erklärte Soliman.
»Hat Geschmack an den Menschen gefunden«, erwiderte Lawrence.
»Du hast gesagt, er habe es auf Frauen abgesehen«, sagte Camille.
»Hab mich getäuscht. Hat es nicht auf Frauen abgesehen, um sie zu vergewaltigen, hat es auf Männer abgesehen, um sich zu rächen. Kommt fast auf dasselbe raus.«
In Beicourt stand nirgends auch nur das kleinste Kreuz, ebensowenig in der Umgebung. Camille stellte den Viehtransporter am Rande eines mit Pflaumenbäumen bepflanzten Gemeindeterrains an der Landstraße ab, die durch die kleine Stadt führte. Adamsberg war ihnen vorausgefahren, um die diensthabenden Gendarmen zu benachrichtigen.
Soliman wartete allein auf ihn. Die Machenschaften des Kommissars verwirrten ihn, seine unvollständigen Ausführungen ließen ihn skeptisch. Aber seine Skepsis tat der Treue, die ihn seit den ersten Stunden an Adamsberg gebunden hatte, keinen Abbruch. Aus Logik und Vernunft kämpfte Soliman gegen ihn. Aber aus Instinkt schloß er sich seinem Tun an - wenn auch nicht seinen Gedanken, die er nicht klar erkennen konnte.
»Wie sind die Gendarmen?« fragte er ihn, als Adamsberg gegen Mitternacht zum Laster zurückkam.
»Gute Sorte«, sagte Adamsberg. »Kooperativ. Sie werden den Ort bis auf weiteres unter Bewachung stellen. Wo sind die anderen?«
»Der Wacher sitzt unter einem Pflaumenbaum, da hinten. Er trinkt einen Weißwein.«
»Die anderen?« hakte Adamsberg nach.
»Spazierengegangen. Der Trapper hat Camille gesagt, er wolle mit ihr allein sein.«
»Gut.«
»Ich vermute, sie haben das Recht dazu, oder?«
»Ja, natürlich, ja.«
»Ja«, wiederholte Soliman.
Er nahm das Mofa von der Halterung und ließ den Motor an.
»Ich fahre in die Stadt«, sagte er. »Ich schau mal, ob noch ein Café offen ist.«
»Hinter dem Rathaus ist eins.«
Soliman entfernte sich auf der Straße. Adamsberg stieg in den Laster, überprüfte die Kerze, die in sieben Stunden auf weniger als die Hälfte heruntergebrannt war. Er blies sie aus, nahm einen Klappstuhl und ein Glas und ging zum Wacher, den man am Ende des Feldes, fünfzig Meter entfernt, aufrecht in der Dunkelheit sitzend erkennen konnte.
»Setz dich, mein Junge«, sagte der Wacher, als er näher kam.
Adamsberg stellte den Klappstuhl neben ihn, setzte sich und streckte ihm sein Glas hin.
»Die Stadt wird überwacht«, sagte er. »Wenn Massart aufkreuzt, geht er ein ganz schönes Risiko ein.«
»Dann wird er nicht aufkreuzen.«
»Das macht mir Sorgen.«
»Hättest ihnen die Streckenbeschreibung einfach nicht zu geben brauchen, mein Junge.«
»Das war die einzige Möglichkeit, etwas
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