Bei Hitze ist es wenigstens nicht kalt - Roman
zugesagt, auch die eine, die ich nie mochte, diese Kerner, die war immer so schnippisch. Ach, und die Kathrin oder Katja, du weißt doch, die vom Fernsehen, die kommt auch. Und ich hoffe, dass auch Sascha da ist. Jetzt muss es doch mal gut sein mit diesem Streit. Der Junge wird ja wohl auftauchen, wenn seine Mutter fünfzig wird. Das ist doch ein Grund, diesen Familienzwist zu begraben. Ich hoffe, dass Torsten dafür gesorgt hat. Das wird eine große Feier. Ich rufe ihn in der Firma an, du bist mir auch keine Hilfe. Bis morgen.«
Doris ließ das Telefon langsam sinken, schluckte und biss sich auf die Lippen, um die Tränen zurückzudrängen. Dann holte sie plötzlich mit aller Kraft aus und feuerte das Handy an die Wand. Unbewegt sah sie, wie es in seine Einzelteile zerbröselte. Der Abend gestern war so schön gewesen! Aber wahrscheinlich hatte sie sich doch wieder etwas vorgemacht. Kein Mensch nahm sie ernst. Und nun war ihr Handy auch noch kaputt. Ab jetzt war sie nicht mal mehr erreichbar.
Ein Klopfen an der Tür ließ sie zusammenfahren. Dann hörte sie Ankes Stimme: »Doris? Bist du fertig? Wir wollen frühstücken.«
Mit wenigen Schritten war sie an der Tür und riss sie auf. Anke fiel ihr fast entgegen. »Du bist ja … Oh. Ist was passiert?«
»Findet ihr das komisch?« Doris’ Stimme klang gepresst. »Habt ihr Spaß mit Torsten gehabt, als ihr dieses blöde Überraschungsfest organisiert habt? Wie oft habt ihr denn schon telefoniert?«
|98| Anke wurde blass. »Wie? Spaß mit Torsten? Was meinst du denn?«
Doris drehte sich auf dem Absatz um und ging zurück ins Zimmer. Mit einem Ruck riss sie die Tasche aus dem Schrank und warf sie aufs Bett.
»Das ist so hinterhältig von euch. Ich komme mir vor wie eine Idiotin.«
Wütend begann sie, einzelne Kleidungsstücke in die Tasche zu stopfen. Tränen liefen ihr übers Gesicht. Anke stand immer noch stumm an der Tür.
»Ich habe mich auf euch gefreut. Ich fand den Abend gestern besonders schön, und dann bekomme ich zufällig mit, dass alles nur Theater ist. Dann kann ich ja auch wieder fahren. Ich will dieses Fest nicht, diese scheiß fünfzig, ich …« Mit einem T-Shirt in der Hand ließ sie sich aufs Bett sinken und fing an, laut zu weinen.
Plötzlich tauchte Katja hinter Anke auf. Mit einem kurzen Blick erfasste sie die Situation, schob Anke ins Zimmer und schloss die Tür hinter sich.
»Ich habe ja keine Ahnung, was hier los ist«, sagte sie, nahm die Tasche vom Bett und setzte sich neben Doris. »Aber können wir das bitte mitteleuropäisch klären und nicht so laut schreien, dass gleich der ganze Flur mitreden kann?«
Doris war es egal, wer sie hören könnte. Sie schrie einfach weiter. »Ich habe es satt, dass alle immer zu wissen meinen, was richtig ist für mich. Und jetzt auch noch ihr.«
Erschrocken sah Katja sie an. »Ich schiebe das mal auf deine Hormone, Goldstein, sonst müsste ich dich jetzt für geisteskrank halten. Kannst du uns bitte mal erklären, was genau dein Problem ist?«
|99| »Diese blöde Feier.« Mühsam versuchte Doris, durch ihre verstopfte Nase Luft zu bekommen. »Es zählt überhaupt nicht, was ich will. Ich habe eine ganz klare Ansage gemacht, aber Torsten organisiert trotzdem etwas. Und ihr macht auch noch dabei mit. Ohne es mir zu sagen.«
»Meine Güte.« Mit ausgebreiteten Armen ließ Katja sich rücklings aufs Bett fallen und sandte einen verzweifelten Blick Richtung Decke. »Du machst so einen Aufstand wegen einer kleinen Geburtstagsfeier? Das ist doch nicht dein Ernst. Die Einladung ist schon vor Wochen gekommen, lange vor unserer Verabredung. Ich verstehe nicht, warum du das so hoch hängst und was daran so schlimm ist. Torsten hat es doch nur nett gemeint.«
»Nett«, schnaubte Doris. »Sehr nett, ja. Ich will das aber nicht. Das habe ich hundertmal gesagt. Ich muss immer nur funktionieren, niemanden interessiert, wie es mir wirklich geht. Ich habe ein Problem mit diesem Geburtstag, ist das denn so schwer zu verstehen?«
»Jetzt mach mal halblang.« Anke wurde langsam sauer. »Dann gehst du eben nicht hin. Du benimmst dich wie ein schwer pubertierendes Kind. Katja hat recht, wenn das die Auswirkungen von Hormonmangel sind, dann würde ich mir an deiner Stelle intravenös welche spritzen. Himmel, wir sind extra angereist, und du machst jetzt so ein Theater. Um dich dreht sich doch nicht die Welt. Merkst du eigentlich, was für einen Unsinn du manchmal redest?«
Ihre Stimme war immer lauter
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