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Bei Hitze ist es wenigstens nicht kalt - Roman

Bei Hitze ist es wenigstens nicht kalt - Roman

Titel: Bei Hitze ist es wenigstens nicht kalt - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dora Heldt
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hatte Anke es genossen. Auch, als er danach »Doris, ich will nach Hause« seufzte und weiterschlief.
    In den Wochen danach hatte sie tausendmal darüber nachgedacht, ihn anzurufen, hatte sich aber nie getraut. Als sie sich zwei Monate später zufällig trafen, wurde ihr endgültig klar, dass er keine Ahnung hatte, was in dieser Nacht am Strand passiert war. Und sie war zu stolz, um es ihm zu sagen. Vier Wochen später wusste sie, dass sie schwanger war.
    Und dann hatte ihre Mutter bestimmt, was getan werden musste. Anke war wie in Trance, sie befolgte alle Anordnungen. Nach ihren Gefühlen und nach dem Vater des Kindes wurde nie gefragt. Seitdem hasste sie ihre Mutter.
     
    |92| Mit einem Gongschlag beendete die Yogalehrerin die Meditation. Langsam öffnete Anke die Augen und sah sich um. Die anderen vier Teilnehmer des morgendlichen Kurses streckten sich. Sie stand so schnell auf, dass ihre sitzende Nachbarin sie irritiert ansah. Anke lächelte.
    »Hunger«, erklärte sie flüsternd. »Ich habe nach dem Yoga immer fürchterlichen Hunger.«
    Sie hatte den Pavillon schon verlassen, bevor die anderen sich erhoben.
     
    Doris cremte sich vor dem Spiegel die Beine ein und hatte das Gefühl, alles wäre schon viel fester. Zufrieden spannte sie den Oberschenkel an und beschloss, ab sofort neben ihrer Rückenschule auch in ihr Fitnesscenter zu gehen. Wenn Katja die Energie aufbrachte, sollte sie das wohl auch schaffen. Und den Kostümrock könnte sie noch eine Zeit lang aufheben, vielleicht würde er doch wieder passen.
    In Unterwäsche durchquerte sie ihr Zimmer, nahm die Jeans und einen leichten Pullover aus dem Schrank und zog sich an. Nach dem Frühstück würden sie sich in die weißen Hotelbademäntel hüllen und den Rest des Tages in der Therme verbringen. Nur noch Sauna, leichte Gespräche, Pediküre, Peeling. Während sie sich die Haare bürstete und sie locker zusammenband, überlegte sie sich, wie und wann sie noch mal mit Anke sprechen sollte. Sie wollte sie nicht mit Erinnerungen quälen, auf der anderen Seite wusste sie, dass sie selbst ohne Hilfe eine solche Situation keinesfalls überstehen würde. Allein der Gedanke, dass Torsten etwas zustoßen könnte, nahm ihr die Luft. Vielleicht gab es ja doch irgendetwas, was sie für Anke tun könnte. Auch wenn die Ereignisse schon eine ganze Zeit zurücklagen.
    |93| Doris suchte in ihrer Handtasche nach einem Lippenstift, ihre Finger ertasteten das ausgestellte Handy. Vielleicht sollte sie das Gerät kurz anstellen, um zu sehen, ob ihr Anrufe entgangen waren. Dass Torsten versucht hatte, sie zu erreichen, glaubte sie eigentlich nicht, sie hatte den Zettel hinterlassen und meistens akzeptierte er, worum sie ihn bat. Er war immer noch gelassen und vertraute ihr.
    Nur ein paar Sekunden nachdem sie ihre PIN eingegeben hatte, meldete ihre Mailbox elf Anrufe in Abwesenheit. »Empfangen gestern, 20.32: ›Ja, Doris, ich bin’s. Ich habe deinen Zettel gerade gefunden und bin doch ziemlich überrascht. Ruf bitte mal an.‹«
    »Empfangen gestern, 21.15: Es wurde keine Nachricht hinterlassen.«
    Das war die Nummer von Margret Goldstein. Doris’ Mutter hatte viermal nacheinander angerufen, ohne etwas auf die Mailbox zu sprechen. Beim fünften Mal hatte sie die Geduld verloren.
    »Doris? Herrgott, wieso gehst du nicht an dein Handy?«
    »Empfangen gestern, 22.13: ›Doris! Hier ist deine Mutter. Es ist wichtig!‹«
    »Empfangen gestern, 22.52: ›Ich fasse es nicht.‹«
    »Empfangen gestern, 23.15: ›Sag mal, wo steckst du denn? Torsten geht auch nicht ans Telefon. Wir könnten hier tot im Flur liegen und ihr lest es dann in der Zeitung. Das ist doch nicht wahr!‹«
    »Empfangen heute, 7.05: ›Immer noch aus. Werner, was macht man denn da?‹«
    »Empfangen heute, 7.30: ›So, wenn du nicht innerhalb der nächsten Stunde anrufst, alarmiere ich die Polizei und schick sie zu euch nach Hause. Torsten ist auch nicht zu erreichen.‹«
    |94| Mit einem Blick auf die Uhr stellte Doris fest, dass sie noch eine halbe Stunde Zeit hatte, bevor die Polizeieskorte sich auf den Weg nach Lüneburg machen würde. Torsten müsste jetzt im Auto sitzen. Sie drückte die Kurzwahltaste für seine Handynummer. Nach nur einem Freizeichen meldete er sich: »Sag mal, wo steckst du?«
    Doris bekam sofort ein schlechtes Gewissen, als sie hörte, wie seine Stimme klang. »Guten Morgen. Ist etwas passiert?«
    »Ich habe mir Sorgen gemacht. Du legst einfach einen Zettel hin, und ich habe keine

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