Bei Hitze ist es wenigstens nicht kalt - Roman
geworden, was die Wirkung ihrer Worte noch verstärkte. Anke Kerner war noch nie laut geworden, Wut machte sie leise und eiskalt. Sie hasste Szenen. Und nun brüllte sie Doris an. Die hockte immer noch mit eingezogenem Kopf auf dem Bett und fummelte an ihrem |100| T-Shirt herum. »Ich …«, begann sie leise, wusste aber nicht weiter. Für eine Minute herrschte Schweigen.
Bis sich Katja schwungvoll wieder aufsetzte, ihren Blick zwischen Doris und Anke hin- und herwandern ließ und schließlich anfing zu lachen.
»Ihr müsstet euch mal sehen«, sagte sie. »Goldstein sitzt verrotzt und elend auf dem Bett und Kerner sieht aus, als würde sie gleich Amok laufen. Und das wegen so eines Schwachsinns. Mädels, es gibt zwei Möglichkeiten. Entweder wir packen sofort unsere Klamotten und reisen ab, dann kannst du Geburtstag feiern oder auch nicht, aber wir sind weg. Oder du gehst jetzt kalt duschen, schüttelst dich, wirst wieder normal und machst dir in den nächsten Tagen Gedanken darüber, was bei dir eigentlich schiefläuft. Dann können wir auch darüber reden. Also, was ist? Anke?«
»Ich habe Hunger. Und keine Lust auf so ein Theater.«
»Doris?« Katjas Stimme war sehr ruhig.
»Tut mir leid.« Sie atmete tief durch und setzte sich gerade hin. »Ich … ich möchte nicht, dass ihr abreist.«
»Okay.« Katja stand auf und ging zur Tür. »Dann restaurier dein Gesicht. In fünfzehn Minuten sind wir unten beim Frühstück. Komm, Kerner. Entspann dich.«
|101| K atja und Anke saßen bereits im Frühstücksraum an einem Tisch am Fenster. Als Doris auf die beiden zuging, wandte sich Katja um und sagte lächelnd: »Guck mal, Doris Goldstein hat einen ganz elastischen Gang. Das kommt vom knackigen Hintern, den man auf diesem Stepper bekommt.«
»Doris Goldstein-Wagner, so viel Zeit muss sein«, schob Anke nach. »Jetzt mach hin, ich komme um vor Hunger, wir haben extra auf dich gewartet, bevor wir das Büffet abräumen.« Sie stand auf und ging sofort los, während Doris ihre Handtasche über die Stuhllehne hängte und sich setzte. Katja musterte sie mit schief gelegtem Kopf. »Geht es wieder?«
»Ja. Anke ist noch sauer, oder?« Doris folgte Anke mit den Blicken durch den Frühstücksraum. Sie lief langsam am Büffet entlang und betrachtete jeden Teller. Katja hob die Schultern. »Kerner hat Hunger. Nach dem Essen hat sie sich bestimmt wieder beruhigt. Aber du hast auch wirklich ein bisschen viel Drama veranstaltet.«
Doris strich sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht. »Ich habe mich so wahnsinnig geärgert. Weil ich überhaupt nichts geahnt habe. Mir geht es im Moment … ach, ich kann mich selbst manchmal nicht leiden.«
»Hast du denn heute Morgen mit Torsten gesprochen? Oder woher weißt du das mit dem Fest?«
»Ich habe mit meiner Mutter telefoniert. Das regt mich sowieso jedes Mal auf.«
|102| Katja lachte. »Das kenne ich. Wobei meine Mutter mittlerweile in Spanien lebt, zusammen mit ihrem zweiten Mann. Und Harald will nicht, dass meine Mutter regelmäßig mit ihrer Tochter telefoniert. Da bin ich ihm fast dankbar. Ansonsten ist er ein Idiot. Aber er hat meine anstrengende Mutter wenigstens im Griff.«
Anke kam mit einem beladenen Teller zurück. »Was ist mit deiner Mutter?«
Sie setzte sich und schüttelte die Serviette glatt. »Drei Sorten Rührei. Herrlich. Ich fang schon mal an, während du über deine Mutter sprichst.«
»Ich will gar nicht über sie sprechen. Doris hat mit ihrer Mutter telefoniert und sich geärgert. Deshalb kamen wir drauf. Ich geh mir mal was holen. Wenn die Bedienung kommt, bestellt mir einen Kaffee.«
Sie verschwand und Doris blieb mit Anke allein, die langsam eine Scheibe Schwarzbrot mit Butter bestrich und erst dann kurz hochsah. »Von mir aus ist es wieder okay. Willst du noch etwas dazu sagen? Oder über deine Mutter reden?«
Doris lächelte zaghaft. »Danke. Ich stand so neben mir. Und dann noch Margret. Sie wird immer schlimmer. Dabei sollte man froh sein, dass man sie noch hat. Steht zumindest in allen Frauenzeitschriften.«
Anke lachte bitter und griff nach dem Salzstreuer. »Ich fange lieber gar nicht erst an, darüber nachzudenken. Sonst habe ich sofort schlechte Laune. Anderes Thema: Ich war beim Yoga am Strand. Sonnengruß mit Ostseeblick, das hat was. Komm doch morgen früh mit, das ist nicht so mörderisch wie diese Fitnessgeräte.«
»Mir ist Yoga zu langweilig.«
»Du solltest es mal probieren. Gibt innere Harmonie.« |103| Anke kaute und
Weitere Kostenlose Bücher