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Bei Hitze ist es wenigstens nicht kalt - Roman

Bei Hitze ist es wenigstens nicht kalt - Roman

Titel: Bei Hitze ist es wenigstens nicht kalt - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dora Heldt
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Wünschen erzählt? »Black Current« war damals Doris’ Lieblingsteesorte gewesen, Schwarze Johannisbeere. Heute war es Weißer Burgunder. Wann hatte sie angefangen, jeden Tag Alkohol zu trinken? Wann war das abendliche Glas Wein zur Belohnung ein Trostpflaster geworden?
    Cindy hatte die Arbeit am rechten Fuß beendet und bat kurz angebunden um den linken. Doris streckte ihn ihr mit einem freundlichen Lächeln, aber schweigend entgegen. Cindy hob kaum den Kopf und fuhr mit ihrer Behandlung fort.
    Nach einem kurzen Moment lehnte Doris sich wieder zurück. Wo war sie stehengeblieben? Beim Wein, aber das gehörte nicht hierher. Darüber musste sie sich auch jetzt keine Gedanken machen, sie war schließlich keine Alkoholikerin, |146| heute hatte sie noch gar nichts getrunken und gestern auch nicht besonders viel. Und wie sollte sie auch sonst ihr langweiliges Leben ein bisschen aufpeppen?
    Morgens stand sie mittlerweile gar nicht mehr mit Torsten zusammen auf. Nicht, weil sie das Frühstücken mit ihm nicht mochte, sondern weil die Tage sonst noch länger wurden. Torsten fand das völlig in Ordnung. Was hatte er neulich zu ihr gesagt, als sie versucht hatte, sich früh aus dem Bett zu quälen und daran kläglich gescheitert war?
    »Bleib doch liegen, Schatz. Du hast doch heute nichts vor. Schlaf dich aus. Bis heute Abend. Ich bin pünktlich.«
    Sie hatte immer noch an die Decke gestarrt, als die Tür hinter ihm schon ins Schloss gefallen war. Sie hatte ja nicht nur heute nichts vor, sie hatte fast nie etwas vor. Und genau das war ihr Problem. Das wurde mit Weißwein zwar etwas kleiner, es verschwand aber nicht. Und sie konnte es jetzt auch nicht länger leugnen.
     
    Inzwischen hatte Doris schön geschnittene und gefeilte Fußnägel. Cindy hatte die Foltergeräte weggelegt und massierte eine Creme auf die Füße.
    »Sie wollten auch Lack?«
    »Ja, bitte. Mit Unterlack.« Doris bemühte sich um einen verbindlichen Ton. Zwischen Herz gewinnen und Unfreundlichkeit gab es ja auch noch etwas Drittes. Cindy lächelte kurz. »Das mache ich immer.«
     
    Doris klickte sich wieder weg und blickte an Cindys Kopf vorbei zum Fenster. Die Jalousien waren so gestellt, dass man immer noch den Blick auf die Ostsee hatte.
    An diesem Strand hatten Doris und Torsten die ersten |147| Familienurlaube verbracht. Natürlich nicht in diesem teuren Hotel, sondern in einer Ferienwohnung. Es waren schöne Sommer gewesen, so schön, dass sie einige Jahre immer wieder hier gebucht hatten. Die letzten Ostseeferien aber waren ewig her, damals war Sascha vierzehn oder fünfzehn, mitten in der Pubertät und schwer in ein Mädchen aus Rostock verknallt, das er am Strand kennengelernt hatte. Nach den Ferien hatte er wochenlang Liebeskummer gehabt. Doris hatte es damals beeindruckt, wie ernst ihr Sohn die Liebe nahm, dass er fähig war, Gefühle zu zeigen, und litt mit ihm mit.
    Ob er jetzt eine Freundin hatte? Ihr Hals schnürte sich zu wie jedes Mal, wenn sie an Sascha dachte. Er hatte so viel von ihr und so wenig von Torsten. Zu viel Gefühl, zu viel Zweifel, zu wenig Lässigkeit und zu wenig Spontaneität.
    Doris hatte irgendwo gelesen, dass man sich am meisten über die Unzulänglichkeiten seiner Kinder ärgert, die man selbst hat. Umgekehrt natürlich auch. Und deshalb hatte es wohl so oft zwischen Doris und ihrem Ältesten den heftigsten Funkenschlag gegeben. Selbst Torsten konnte da mit seiner Ruhe kaum etwas ausrichten, und so war es schließlich zu dem finalen Krach gekommen. Es war zwei Jahre her und noch immer konnte Doris sich nicht eingestehen, diesen Fehler gemacht zu haben, es tat noch zu weh. Und Sascha vermied den Kontakt mit ihr, wo es nur ging. Wenn Doris ganz ehrlich war, hätte sie sich an seiner Stelle genauso verhalten. Sie hatte Schuld an dem Zerwürfnis, das musste sie endlich begreifen.
     
    »Was möchten Sie denn für eine Farbe haben?«
    Cindys helle Stimme unterbrach Doris’ Gedanken. Sie zog sich an der Armlehne nach vorn, um das Nagellacksortiment |148| zu betrachten. Cindy musterte erst sie, dann die kleinen Flaschen und sagte: »Sie sind ein Pink-Typ. Was halten Sie von diesem Ton?«
    Ein Pink-Typ? Doris glaubte, sich verhört zu haben. Wenn sie irgendetwas hasste, dann waren es diese Mädchenfarben. Sie war doch nicht Angelika, die nur Pastellfarben trug, weil das angeblich jünger und weiblicher macht. Sie doch nicht.
    »Was hat meine Freundin denn genommen? Frau Severin?«
    Cindys Hand griff zu einem Fläschchen und

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