Bei Hitze ist es wenigstens nicht kalt - Roman
Er sah auf die Bedienung, die immer noch entsetzt am Tisch stand. »Haben Sie vielleicht einen Lappen?«
Anke floh auf die Toilette.
Sie hielt schon minutenlang ihre Handgelenke unter kaltes Wasser, als sich die Tür auftat und Doris eintrat.
»Georg ist ja sehr entspannt«, bemerkte sie, bevor sie in die Kabine ging und durch die geschlossene Tür weiterredete. »Und ich bin mir ziemlich sicher, dass er dich sympathisch findet, auch wenn du dich dauernd so danebenbenimmst.«
Anke hatte noch nie verstanden, warum sich Frauen auf der Toilette immer unterhalten müssen. Nur deshalb gingen |211| sie immer zu zweit. Sie wartete ab, bis sie die Spülung hörte, dann antwortete sie: »Doris, ich bin keine siebzehn mehr, wir sind nicht in der Discotoilette und müssen uns wirklich nicht über Jungs unterhalten. Erst recht nicht, wenn durch meine Schuld ein Hemd ruiniert wurde.«
Doris stellte sich zum Händewaschen neben sie und sah dabei in den Spiegel. »Es war ja nicht unbedingt deine Schuld, du bist nur etwas grobmotorisch aufgestanden. Aber du kannst doch mal etwas verbindlicher gucken.«
Leise stöhnend ging Anke zum Ausgang.
»Warte doch auf mich.« Doris zog sich die Lippen nach und schloss die Handtasche. »Ich bin fertig.«
»Findest du den Tisch nicht mehr allein?« Anke ließ ihr den Vortritt. Doris drehte sich nur kurz um und lächelte. »Du bist schon wieder giftig. Nun komm.«
Georg trug die Flecken mit Grandezza und sah Doris und Anke entgegen. Diesmal wich Anke seinem Blick nicht aus, sondern sandte ihm ein entschuldigendes Lächeln. Es wurde mit Kopfnicken angenommen.
Katja und Christine hatten ihr Gespräch gar nicht unterbrochen, sie hatten den Faden mit den ›Wilden Wörtern‹ wieder aufgenommen und Anke hörte mit zunehmendem Unmut, dass Katja über die Qualität dieser Schülerzeitung redete, als wäre dieses Blatt eines der führenden deutschen Nachrichtenmagazine gewesen. Und Anke die Erfinderin des modernen Journalismus. Es fing an, peinlich zu werden. Ohnehin war dieses Essen die Schnapsidee des Wochenendes. Sie hätten zu dritt einfach im Hotel essen und noch ein bisschen über alte Zeiten und sich selbst reden sollen. Vielleicht hätten sie dann auch überlegt, was man zusammen |212| anstellen könnte. Alles wäre besser gewesen als dieses Essen. Außerdem musste sie zur Toilette, sie hatte sich blöderweise eben nur die Hände gewaschen. Und sie musste so dringend, dass es ihr auch egal war, was die anderen dachten.
Beim Aufstehen riss sie einen Kerzenleuchter vom Tisch, es gab einen Heidenlärm, verursachte aber zum Glück keinen Brand, weil die Kerze sofort ausging.
»Anke.« Doris sprang auf, ein kleines bisschen Wachs war auf ihre Hand getropft. »Um Himmels willen. Man kriegt wirklich einen Herzinfarkt, wenn man neben dir sitzt.«
»Ich muss mal.« Wieso erklärte sie das denn auch noch?
Doris rieb sich das Wachs vom Handrücken und verdrehte die Augen. »Du warst doch gerade erst.«
Alle mussten sie für völlig bekloppt halten.
»Entschuldigung.« Anke wollte hier nicht länger herumstehen.
Als sie den Waschraum wieder verließ, ging die gegenüberliegende Tür gleichzeitig auf und Georg trat heraus.
»Na?«, sagte er. »Die Geschickteste unter dem Himmel bist du wohl nicht, oder?«
»War ich noch nie«, antwortete Anke. »Es tut mir leid mit dem Wein, mir passiert dauernd so etwas. Hast du auch Wachs abbekommen?«
»Nein.« Er sah nach unten. »Aber du. Deine Schuhe sind gesprenkelt. Fühlst du dich eigentlich von mir bedrängt?«
Bei dieser direkten Frage zuckte Anke zusammen und sah ihn irritiert an. Er wartete entspannt auf ihre Antwort. Sie hatte schon eine Erwiderung auf der Zunge, zögerte aber und sagte schließlich: »Ich … bin nicht besonders gut bei … |213| ach, egal. Aber fühlst du dich nicht auch beobachtet? Ich lerne nicht gern vor Publikum jemanden kennen.«
Sie war erschrocken über ihre eigene Offenheit, Georg nicht. Er lächelte nur kurz und antwortete leise: »Es ist ja schon gut, dass du ein Kennenlernen nicht ausschließt. Gehen wir zurück?«
Als sie wieder am Tisch saßen, merkte Anke, dass sie das Stuhlbein auf ihre Jacke gestellt hatte. Sie hob den Hintern und schob den Stuhl ein Stück zurück – genau vor die Bedienung, die dadurch die Balance verlor und nicht verhindern konnte, dass die Roulade für Georg plötzlich durch die Luft flog und auf seinem Schoß landete.
Nachdem der mit zwei Fingern das heiße
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