Bei Hitze ist es wenigstens nicht kalt - Roman
Entspann dich.«
|219| Fast triumphierend blickte Doris die anderen an. »Es läuft. Wir sollten uns ein bisschen Zeit mit dem Bezahlen lassen. Je länger sie allein sind, desto besser. Ich habe ein richtig gutes Gefühl.«
»Du siehst aus wie eine alte Kuppelmutter«, kommentierte Katja. »So bahnbrechend ist ein Fischbrötchen nun auch nicht.«
»Wart mal ab«, antwortete Doris. »Irgendetwas passiert noch. Das wäre doch schön. Ich habe Liebesgeschichten so gern.«
»Weil du selbst keine mehr hast«, sagte Katja betont freundlich. Trotzdem oder gerade deswegen zuckte Christine zusammen und sah unsicher zwischen den beiden hin und her. Doris antwortete leichthin: »Meine Liebe, ich bin seit über dreißig Jahren mit demselben Mann zusammen. Das reduziert zwar das Herzklopfen, ist aber immer noch schön.«
»Wenn er nicht gerade Überraschungspartys für dich organisiert.« Katja bemerkte erst jetzt Christines Gesichtsausdruck. »Guck nicht so erschreckt, wir haben nur einen etwas ruppigen Ton miteinander, haben uns aber immer noch lieb. Aber, da wir gerade beim Thema sind, sag mal Doris, wolltest du nicht fragen, was Torsten hier für morgen genau geplant hat?«
»Ich weiß nicht.« Doris wandte sich halbherzig um, als würde sie eine Bedienung rufen wollen. »Was soll ich sie denn fragen?«
»Keine Ahnung. Es sei denn, du möchtest das Ganze noch abblasen. Du kannst ja sagen, dein Mann sei geisteskrank und eine seiner Macken äußere sich darin, dass er ständig in irgendwelchen Lokalen anrufe und Feiern organisiere. Dabei habest du gar nicht Geburtstag und es komme auch |220| niemand. Vielleicht braucht man dann keine Stornogebühren zu zahlen.«
»Katja.« Jetzt mischte sich Christine doch ein. »Ich würde mich freuen, wenn jemand für mich eine Geburtstagsfeier organisiert, das ist doch ganz toll. Das kann man doch nicht einfach torpedieren. Warum findet ihr das denn so schlimm?«
»Weil ich nicht feiern will.« Doris griff zu ihrem Glas, das bereits leer war und hob danach die Flasche an. »Wir haben keinen Wein mehr.«
»Stimmt.« Katja schob ihr das Wasser zu. »Wir gehen sowieso gleich.«
»Aber ich …«
»Doris«, unterbrach Katja sie mit sanfter Stimme. »Wasser ist noch da. Und wir müssen um Mitternacht noch auf dich anstoßen.«
Doris runzelte genervt die Stirn, dann fiel ihr Christines Frage wieder ein. »Ich werde fünfzig. Das muss man nicht feiern, finde ich.«
»Warum nicht? Du hast doch wohl keine Probleme mit dem Älterwerden?« Christine lachte. »Zu den Frauen gehört ihr sicher nicht.«
Doris sah sie nachdenklich an. Stimmte das? Seit sie hier war, fühlte sie sich tatsächlich besser, selbst ihre Hitzewellen waren weniger störend als sonst. Aber langsam kam das wirkliche Leben zurück und fünfzig war immer noch eine unsympathische Zahl, egal wie sehr sie mit Katja und Anke versuchten, die alten Zeiten zu beschwören. Und am Montag würde sie wieder zu Hause sein, allein mit endlos langen Tagen. Es hatte sich nichts verändert.
»Hey.« Katja rüttelte sie am Arm. »Übst du gerade den |221| verzweifelten Gesichtsausdruck für die morgige Dankesrede?«
»Nein.« Doris schüttelte den Kopf. »Ich brauche nicht zu üben. Aber ich glaube, ich gehöre doch zu den Frauen, die Christine eben meinte. Es sind nicht unbedingt die Falten und die grauen Haare, die mich deprimieren. Es ist diese Ahnung, dass es keine Überraschungen mehr gibt. Alles läuft in geordneten Bahnen. Ich weiß doch genau, wie mein Leben weitergeht, immer im selben Trott. Vielleicht hören diese Hitzewellen und Stimmungen irgendwann auf, aber sonst …?«
Statt betroffen zuzustimmen, begann Christine zu lachen. »Das ist doch Unsinn. Wieso wird es keine Überraschungen mehr geben? Ich habe im letzten Jahr einen neuen Job gefunden, das hat mein Leben total verändert. Meine Freundin Marleen hat sich mit zweiundfünfzig, nach zehn Jahren Singledasein, Knall auf Fall verliebt. Damit hat sie auch nicht gerechnet. Eine andere Freundin entdeckt gerade ihre Ehe neu, weil endlich die letzte Tochter ausgezogen ist. Es gibt doch dauernd neue Wege. Sie zu finden liegt nur an einem selbst.«
»Siehst du.« Katja genoss das Gespräch. »Das sage ich doch. Du musst deinen Hintern hochkriegen. Apropos, ich kann nicht mehr sitzen, wollen wir langsam mal bezahlen? Und zurücklaufen?«
»Ja«, stimmte Christine zu. »Wir können ja dabei weiterreden. Mit fünfzig zu glauben, man wäre fertig, ist furchtbar. Und so
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