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Bei Hitze ist es wenigstens nicht kalt - Roman

Bei Hitze ist es wenigstens nicht kalt - Roman

Titel: Bei Hitze ist es wenigstens nicht kalt - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dora Heldt
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Am anderen Ende beeilte sich ihr Sohn, sie zu beruhigen. »Nichts weiter, also nichts Schlimmes. Ich habe nur aus Versehen Oma gesagt, wo du bist, und jetzt weiß Papa das natürlich auch. Tut mir leid, ich sollte doch den Mund halten.«
    Vorsichtig blies Doris auf den Nagellack, weniger um ihn zu trocknen, als um zu verhindern, dass sie Moritz anblaffte.
    »Bist du noch dran?«, fragte er leise.
    »Ja. Und warum hast du es ihr gesagt?«
    »Ach, Oma hat mich dauernd auf dem Handy angerufen und mir die Mailbox vollgetextet. Dass du Papa verlassen hast, dass sie Stiche im Rücken hat und nichts machen kann, nur Blödsinn. Das ging mir auf den Geist. Und als sie dann das zwanzigste Mal anrief, habe ich’s ihr gesagt. Also, dass du nur ein Wochenende weg bist und morgen wieder da und so. Und dabei fiel aus Versehen auch der Name des Hotels.«
    »Aus Versehen.« Doris räusperte sich. »Wenn Oma hier auftaucht, dann Gnade dir Gott. Warum kannst du meine Geheimnisse nicht für dich behalten, aber Papas schon. Ich meine diese bescheuerte Überraschungsparty.«
    »Wieso? Meinst du diesen Ausflug? Das weiß ich doch auch erst seit vorhin. Papa hat nur gesagt, dass ich morgen um zwölf in Lüneburg vor dem Gasthof ›Hanske‹ sein soll. Ich dachte, da gibt’s Mittagessen. Das mit dem Bus hat Oma mir gesagt. Wusstest du das echt nicht?«
    »Nein. Dann würde dieser Quatsch auch nicht stattfinden. Sag mal   …« Doris machte eine kurze Pause und fragte dann doch: »Kommst du allein?«
    »Nein, mit Wiebke.«
    »Die meinte ich nicht. Was ist denn mit   …? Hast du was von Sascha gehört?«
    |203| »Nö.« Moritz war genauso gleichgültig wie sein Vater. »Keine Ahnung, ich habe nicht mit ihm geredet. Musst du Oma fragen, die ist doch allwissend. Ich muss Schluss machen. Bis morgen dann, tschüss.«
    Doris legte den Hörer auf. Sie war so froh gewesen, dass niemand sie über ihr zerlegtes Handy erreichen konnte. Aber Margret Goldstein war durch nichts zurückzuhalten. Doris hoffte nur, dass weder ihre Mutter noch ihr Mann ihr diesen letzten Abend verderben würden. Sie wollte wenigstens noch für ein paar Stunden die alte Goldstein sein.
     
    Katja befestigte die letzte Haarnadel und betrachtete sich abschließend im Spiegel. Sie hatte ihr Haar lose hochgesteckt, nur ein bisschen Puder und Wimperntusche aufgetragen und sich für Jeans und Bluse entschieden. Erstens musste sie ja hier niemandem etwas beweisen, zweitens ging es heute Abend gar nicht um sie und drittens fand sie solche Äußerlichkeiten im Moment nicht mehr so wahnsinnig wichtig.
    »Das solltest du dir aber nicht lange leisten, Severin«, sagte sie laut zu ihrem Spiegelbild und nahm trotzdem nur den Labello, statt des dunkelroten Lippenstifts.
    Es war schon erstaunlich, wie viel von dem alten Lebensgefühl abrufbar war. Sie wollte zwar auf keinen Fall mehr ein zwanzigjähriges Mädchen sein, fand es aber trotzdem gerade lustig, sich im Beisein von Anke und Doris wieder zu fühlen wie damals, als alles noch am Anfang war. Es war so, als würde man sich nach Jahren wieder den Beginn seines Lieblingsfilms ansehen, den Teil, der so wahnsinnig spannend gewesen war, bei dem man sich fast auf die Fingerknöchel gebissen hatte, nur dass man heute schon das Happy End kannte.

|204| A nke saß seit mindestens zehn Minuten auf einem der Sessel im Foyer, als Doris kam.
    »Wo bleibt ihr denn?«, sagte sie ungeduldig. »Wir wollten um sieben los, jetzt ist es zehn nach.«
    Doris knöpfte noch im Gehen ihre Jacke zu und machte eine um Nachsicht bittende Geste. »Es tut mir leid, Moritz hat mich noch angerufen, er hat meiner Mutter gesagt, wo ich bin. Ich musste mich also schon wieder aufregen. Jetzt macht sie vermutlich einen Riesenalarm und taucht morgen früh hier auf, nur damit ihre Tochter garantiert zur Überraschungsparty erscheint.«
    »Sie hat das doch gar nicht organisiert. Sie ist doch nur Gast.«
    Mit spöttischem Gesichtsausdruck ließ Doris sich in den Sessel neben Anke fallen. »Meine Mutter ist nie nur Gast. Dazu nimmt sie sich selbst zu wichtig.«
    Anke hob kurz die Augenbrauen. »Vermintes Gelände?«
    Entnervt winkte Doris ab. »Lass uns einfach nicht über Mütter reden. Ich arbeite mein Leben lang schon daran, dass ich nicht so werde wie sie. Manchmal lässt mich das verzweifeln. So, bitte Themenwechsel, wo ist Katja?«
    »Ich weiß es nicht.« Anke drehte sich zu der Uhr hinter der Rezeption. »Sie wird sich doch nicht beim Joggen verlaufen haben. Sollen

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