Bei Hitze ist es wenigstens nicht kalt - Roman
sich.
Katja blieb unsicher mitten im Zimmer stehen. »Ich weiß jetzt nicht richtig, was ich sagen soll …«
»Nichts«, entgegnete Anke und hielt ihr das leere Glas vor die Nase. »Zu dem Thema ist alles gesagt. Wir können jetzt weiter Geburtstag feiern.«
|259| Sie ignorierte den forschenden Blick von Doris, die natürlich etwas anderes von ihr hören wollte, und ließ sich von Katja Champagner einschenken. Und das, obwohl sie langsam Sodbrennen bekam.
Während sich Katja wieder auf das Bett setzte, sagte Doris: »Ich traue mich überhaupt nicht in mein Zimmer. Meine Mutter hat bestimmt einen Draht gespannt, der Lichtsignale bei ihr auslöst, wenn ich meine Tür öffne.«
»Dann bleib doch hier. Katja hat sich auch schon bettfertig gemacht, du kannst meinen Bademantel haben, wenn du willst. Falls deine Hose kneift.«
»Sieht man das?« Erschrocken sah Doris an sich hinab. »Ich habe viel zu viel gegessen, es fühlt sich alles so eng an.«
Kurze Zeit später kuschelten sie sich wieder nebeneinander auf das Bett. Alle abgeschminkt, Doris im weißen Hotelbademantel, Anke in Jogginghose und einem gelben T-Shirt . Ihre nackten Füße, alle mit dem gleichen Nagellack, waren Doris ein Foto wert, anschließend behauptete sie, dass Anke die schönsten Füße hätte.
»Das kommt davon, dass sie immer so vernünftige Schuhe trägt«, murmelte Katja. »Bei mir lassen sich zwanzig Jahre Highheels leider nicht verleugnen.«
»Siehst du.« Anke stopfte sich noch ein Kissen in den Rücken. »Das spricht gegen meine mögliche Karriere in den Medien. Ich konnte noch nie gut mit hohen Absätzen laufen, eure Kleiderordnung hätte mich umgebracht. Dieser Champagner tut es übrigens auch. Ich habe schon Sodbrennen, den Rest könnt ihr allein trinken.«
»Ich möchte auch nichts mehr.« Doris stellte ihr leeres Glas auf den Boden. »Man kann gute Vorsätze auch zum |260| Geburtstag fassen, die von Silvester halte ich nie ein. Anke, hast du noch Cola in der Minibar? Oder Saft?«
»Bestimmt. Geh gucken.«
Katja beobachtete Doris, die barfuß durchs Zimmer lief. »Warum spricht dein ältester Sohn nicht mehr mit dir?«
Doris verharrte kurz, bevor sie an der Minibar in die Knie ging und die Tür öffnete. »Wie kommst du da jetzt drauf?«
»Weil ich glaube, dass du daran gedacht hast, als wir vorhin von Dingen sprachen, für die man sich schämt. Ich habe gebeichtet, jetzt kommst du.«
»Katja.« Anke stieß sie leicht an. »Wir veranstalten doch hier kein Tribunal.«
»Warum nicht?« Ihr abgeschminktes Gesicht glänzte. »Wir hängen hier in unvorteilhaften Klamotten und Bademantel, ohne Schminke, ohne Maske, ohne Rolle auf einem Bett rum. Wenn wir jetzt nicht offen reden, wird es nie mehr was. Und manche Geschichten verlieren ihren Schrecken, wenn man über sie spricht.«
»Vielleicht beruhigt man sich selbst, aber für andere bleibt es grausam.« Doris kam langsam zum Bett zurück, in jeder Hand eine Flasche Saft. Sie drehte die Schraubverschlüsse umständlich auf und ließ sich wieder aufs Bett sinken. »Sascha hat sich kurz vor seinem Abitur in eine Frau verliebt. Sie hieß Carolina, war eine polnische Studentin und hat bei Torsten in der Firma ein Praktikum gemacht. Sie war 26. Das Praktikum dauerte vier Monate.«
»Und weiter?« Katja fragte nur, weil Doris eine sehr lange Pause machte. Erst nach einem Räuspern redete sie weiter. »Sascha war nie der Superschüler. Er hatte ziemlichen Stress vor dem Abitur und dann brachte ihn diese Carolina auch noch total durcheinander. Ich habe gar nicht verstanden, |261| was diese erwachsene Frau mit einem Abiturienten wollte …«
Katja hustete so demonstrativ, dass Doris stockte. »Dein Liebhaber ist erwachsen, wenn auch zu jung, aber Sascha war gerade mal volljährig, ein Kind. Das war etwas ganz anderes. Und sie passte auch gar nicht zu ihm. Außerdem lebte sie in Warschau und wollte nur diese vier Monate bleiben. Und plötzlich war sie dauernd bei uns, saß morgens in der Küche und tat so, als wäre sie mit Sascha seit hundert Jahren zusammen.«
»Und da wurde Mutti eifersüchtig?« Katja hatte wieder den alten Sarkasmus in der Stimme.
»Nein.« Doris schluckte. »Nicht eifersüchtig. Vielleicht könnt ihr das nicht verstehen, weil ihr selbst keine Kinder habt, aber ich werde ganz verrückt, wenn ich merke, dass jemand einem meiner Söhne schaden könnte. Außerdem hatte Carolina sich bei einem Freund Geld geliehen, das sie nicht mehr zurückzahlen
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