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Bei Hitze ist es wenigstens nicht kalt - Roman

Bei Hitze ist es wenigstens nicht kalt - Roman

Titel: Bei Hitze ist es wenigstens nicht kalt - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dora Heldt
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einem Lehrer? Das ist nicht wahr.«
    »Er war doch nur Referendar. Noch kein Lehrer. Ich habe ihn zufällig in den Osterferien getroffen. Meine Eltern hatten damals in Timmendorf ein Ferienhaus gemietet. Ich bin für ein paar Tage hingefahren, und als ich alleine am Strand spazieren ging, lief er mir über den Weg. Und dann haben wir uns stundenlang unterhalten.«
     
    Doris richtete ihren Blick auf die dunkle Ostsee. Plötzlich waren die Bilder ganz deutlich: Tim, der in Jeans und roter Regenjacke vor ihr lief, die Beine der Hose hochgekrempelt, die dunklen Locken vom Wind zerzaust. Sie selbst mit Herzklopfen, die langen Haare zum Pferdeschwanz gebunden, in einem weißen Rollkragenpullover und Gummistiefeln. Oder sie beide zusammen in einem Café am Marktplatz, im Radio lief Barclay James Harvest, sie tranken Schokolade mit Sahne und unter dem Tisch berührten sich ihre Knie. Sie hörte mit glänzenden Augen zu, wenn Tim von seinem Studium erzählte, er roch so gut und hatte dieselben Bücher gelesen wie sie. Er war schon erwachsen, er wusste genau, was er wollte, und er fand sie toll.
    Sie hatte sich verliebt. Gegen alle Vernunft und mit einer Verwegenheit, zu der sie später nie mehr fähig gewesen war. Abends verabschiedete sie sich von ihren Eltern und fuhr mit ihrem grünen V W-Käfer in Tims Hotel.
     
    |268| »Es ist einfach so passiert. Nach den Osterferien gingen die Abiturklausuren los, es war diese besondere Zeit, alles fing doch erst an. Und ich dachte, ich würde etwas verpassen.«
    Katja seufzte im Schlaf, Anke warf einen kurzen Blick auf sie und wandte sich wieder an Doris. »Und wie lange ging das?«
    »Nicht lange.« Doris zog die Beine dichter an den Körper. »Wir haben uns zwei- oder dreimal getroffen, aber zu Hause war der Ostseezauber weg, und ich bekam ein schlechtes Gewissen. Er auch. Wenn auch aus anderen Gründen. Und dann war es vorbei. Das letzte Treffen war nach der letzten Klausur.«
    »Wusste Torsten das?«
    »Nein. Ich habe ihm damals gesagt, ich müsste allein lernen, und habe alles auf meine Prüfungsangst geschoben. Damit kam ich durch. Und nach dem Abitur war die Sache sowieso erledigt. Ich habe Tim nie wiedergesehen.«
    »Und weil Tim Schneider als Begleitperson bei der Abschlussfahrt dabei war, bist du nicht mitgefahren?«
    Doris nickte. »Ich hatte noch nie ein Pokerface. Jeder hätte mir etwas angesehen. Ich war noch ziemlich durcheinander. So war es besser.«
    Beide schwiegen. Dann drehte Katja sich zu Anke und schlang ihr Bein um sie. Vorsichtig versuchte die, sich aus dem Klammergriff zu lösen, ohne Katja zu wecken.
    »Severin ist anhänglich«, sagte Doris lächelnd. »Trotz des jungen Liebhabers.«
    »Es war nicht besser, dass du nicht mitgefahren bist«, sagte Anke plötzlich ernst. »Für mich nicht. Ganz im Gegenteil. Es wäre alles nicht passiert, wenn du da gewesen wärst.«
    |269| »Aber wieso   …?« Doris’ Lächeln erstarb, als sie Ankes Gesichtsausdruck begriff. »Du hast   … mit   …? Torsten? Der Mann   … war   …?«
    Katja rollte sich mit Schwung auf die andere Seite und fiel krachend aus dem Bett.

|270| D er erste Gedanke, der Doris beim Aufwachen durch den Kopf schoss, war: ›Ich habe Geburtstag.‹ Und der zweite: ›Torsten und Anke.‹ Sie stöhnte und öffnete die Augen. Es war erst acht Uhr, sie hatte nur vier Stunden geschlafen. Mühsam rappelte sie sich hoch, lehnte sich an die Rückwand des Bettes und rieb sich die brennenden Augen. Entgegen aller Gewohnheiten hatte sie sich gestern Abend nicht abgeschminkt, die Reste der Wimperntusche rieselten auf die weiße Bettdecke.
    Torsten und Anke.
    Diese Vorstellung war ihr so sehr in den Magen gefahren, dass sie Katjas Sturz aus dem Bett überhaupt nicht richtig wahrgenommen hatte. Während Katja stöhnend auf dem Boden saß und sich die Schulter hielt, hatte sie nur Anke anstarren können, fassungslos und mit aufsteigenden Tränen. Anke hatte versucht, ihr die Hand auf den Arm zu legen, Doris hatte sie abgeschüttelt und war zur Minibar gegangen. Gute Vorsätze hin oder her, sie trank den Cognac aus der Flasche.
    Natürlich schockte sie das jetzt noch, auch wenn Katja versucht hatte, es abzumildern. Es sei über dreißig Jahre her und Torsten habe es noch nicht einmal mitbekommen. Sie selbst habe doch bei der Geschichte mit Tim gemerkt, wie schnell man sich verlieben könne, sie würde das alles jetzt viel zu hoch hängen.
    |271| Anke hatte die ganze Zeit geschwiegen, bis Doris die Nerven

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