Bei Interview Mord
weiter.«
»Wer sind Sie noch mal?«
»Der Neffe von Jutta Ahrens.«
»O Gott.« Es krachte in der Leitung. Dann tutete es nur noch.
»Jetzt wissen wir's«, rief Jörg Kaischeuer begeistert, als ich zurückkam.
»Was wissen Sie?«
»Es war ja kaum zu überhören. Sie sind gar kein Detektiv. Sie arbeiten für Radio Berg. Ich hab mir gleich gedacht: So sieht ein typischer Radioreporter aus.«
War das jetzt ein Kompliment?
Ich ging zurück ins Innere des Ladens und sah mich um. Da bekam man richtig Lust, ein Geschenk zu kaufen.
»Darf's noch irgendwas sein?«, fragte Frau Werner.
Am Tresen, wo die Kasse stand, lag ein Stapel CDs. Das Cover machte mich neugierig. Es zeigte zwei Gitarren am Strand. Im Hintergrund blaues Wasser. Auf der Rückseite lächelten mich zwei schwarz gekleidete Gitarristen an, die Instrumente in der Hand. Einen davon kannte ich.
»Multitalent, was?«, rief ich Jörg Kaischeuer zu.
»Man tut, was man kann. Eines Tages gebe ich die Taxifahrerei auf und werde Fulltime-Musiker.«
Ich ließ mir die CD als Geschenk einpacken und zahlte, wobei ich einen Euro fürs Telefonieren drauflegte. Dann bedankte ich mich und ging.
Im Wagen konsultierte ich den Stadtplan. Zur Schreibersheide war es nicht weit.
Ich startete den Golf und ordnete mich in die Linksabbiegerspur ein. Es ging steil den Berg hinunter, mitten hinein in einen grünen Wald, dann wieder an Weiden vorbei. Ich hatte auf dem Plan gesehen, dass das berühmte Schlosshotel Lerbach ganz in der Nähe war. Die Straße führte direkt am Eingang des Schlosses vorbei. Ich konnte das Gebäude jedoch nicht erkennen. Es schien in einem großen Park verborgen zu sein. Jutta hatte mir von der Nobelherberge erzählt. Sie war ja Expertin auf diesem Gebiet. Wenn ich mich recht erinnerte, arbeitete in der Hotelküche einer der berühmtesten Köche der Welt. Oder Deutschlands? Keine Ahnung. Kulinarik war nicht mein Fach. Obwohl - eigentlich doch. Mein Magen knurrte. Aber der Fall hatte Vorrang.
Ich drehte das Radio an. Vielleicht gab es ja neue Meldungen. Aber ich hörte nichts als Weltpolitik. Ich legte eine Kassette ein. Klaviergeklimper begann, machte eine kurze Pause. Dann die Stimme von Cat Stevens. »Morning has broken«. Passte nicht ganz zur Tageszeit. Trotzdem schön.
Die Straße, die »Schreibersheide« hieß, führte in eine Wohngegend mit Häusern, die Immobilienmakler in ihren Prospekten gern mit Vokabeln wie »gehobener Anspruch«, »großzügig« und »individuell« beschreiben. Der Golf, in dieser Umgebung ein hässliches Entlein, rollte an Vorgärten vorbei, in denen sich die Pracht exotischer Hölzer und Blumenrabatten gegenseitig zu überbieten versuchten.
Die Straße war frei von Autos und Fußgängern. Alle parkten brav vor ihren Garagen oder unter den Carports. Es war unmöglich, in dieser Umgebung eine Überwachung durchzuführen, ohne sofort aufzufallen.
Landauers Adresse befand sich in einer Abzweigung der Straße, die schon nach zwanzig, dreißig Metern in einen Wendehammer führte, umkreist von Hauseingängen. Ich betrachtete die Behausungen und versuchte Rückschlüsse auf die Bewohner zu ziehen. Das erste Haus war aus Holz oder zumindest mit Holz verkleidet.
In der Auffahrt standen gleich drei Autos. Von irgendwoher drang Musik.
Landinis Haus befand sich rechts daneben und lag etwas weiter weg vom Wendehammer. Es wirkte wesentlich nüchterner. Die Wände leuchteten blendend weiß und kontrastierten für meinen Geschmack etwas zu stark mit den schwarzen, glänzenden Dachziegeln. Immerhin hatte es sich Landauer nicht nehmen lassen, auf seine zweite künstlerische Profession hinzuweisen: Auf das Garagentor war ein großer schwarzer Zylinder gemalt, aus dem ein weißes Kaninchen hervorlugte.
Das dritte Haus in der Runde war ein Bungalow, hinter den grünen Grasstauden, die wie gewaltige Haarbüschel mindestens drei Meter nach oben schössen, fast nicht zu sehen.
Ich wandte mich Landauers Haus zu und klingelte. Nichts geschah.
Die Musik war immer noch zu hören. Was war das für ein Instrument? Flöte?
Als ich zum Wagen zurückging, hatte ich das Gefühl, als bohrten sich Blicke in meinen Rücken.
Video
Mein Wagen rollte die Straße hinunter, die zurück in die Innenstadt führte, und ich überlegte, was ich mit Volker Sailers schwammiger Auskunft anfangen konnte. Das Beste war wohl, zum Overather Bahnhof zu fahren und mich zu erkundigen.
Die ortsinternen Hinweisschilder brachten mich zur Autobahn. Dann folgte ich
Weitere Kostenlose Bücher