Bei Interview Mord
der A 4 ein Stück weiter ins Bergische Land hinein und spürte wieder ein plötzliches Hungergefühl, als ich die Abbildung eines riesigen leckeren Apfels sah, der jedoch keine Obsthandlung, sondern eine Firma bewarb, die »Stein & Design« zu verkaufen hatte. Nichts, was man essen konnte.
Der Overather Bahnhof befand sich jenseits eines kleinen, mit Bäumen bestandenen Platzes, der eine Lücke in die regelmäßige Bebauung der Hauptdurchgangsstraße riss. In den unteren Etagen der Häuser waren Geschäfte untergebracht; an der Straßenecke, die zu dem kleinen Platz führte, gab es einen Metzger, weiter hinten eine Bäckerei. Das Überleben war gesichert.
Im Bahnhofsgebäude, einem altertümlichen Bau mit hochgezogenem Spitzdach, hatte sich ein Restaurant niedergelassen, das sich schlicht »Die Stadtmitte« nannte. Auf einer grünen Tafel pries eine Kreideaufschrift »Mittagstisch 5 Euro« an.
Weder der bebrillte Wirt mit dem schulterlangen schwarzsilbernen Haar und dem Bleistift hinter dem Ohr noch die dunkelhaarige schlanke Bedienung kannten jemanden in der näheren Umgebung, der Videofilme drehte.
Ich versuchte es in der Metzgerei, wo ich von den anwesenden Hausfrauen den Ratschlag erhielt, doch mal in die Gelben Seiten zu gucken. In der Bäckerei konnte man mir auch nicht weiterhelfen, und ich versüßte mir den Fehlschlag mit einem Rosinenbrötchen.
Nachdenklich knabbernd kehrte ich auf den kleinen Platz zurück. Blieb mir also nichts anderes übrig, als die Klingelschilder abzusuchen.
Ich aß mein Brötchen auf, warf die Papiertüte brav in den nächsten Papierkorb und suchte nach meinen Zigaretten. Die Schachtel, die ich noch im Auto gefunden hatte, war fast leer und völlig vertrocknet. Nachschub war angesagt. Aber wo war der nächste Zigarettenautomat?
Ich verließ den Platz und blickte in eine schmale Seitenstraße. Ein Stück weiter hinten warteten Omnibusse. Gleich gegenüber leuchtete eine weiße Mauer, und ich las die Aufschrift »Kiosk am Bahnhof«, eingerahmt von grüner Zunft-Kölsch-Werbung.
Der Kiosk war ein richtiger kleiner Laden mit einer kleinen Einfahrt daneben. Auf einer Bank saß ein junger Mann in längs gestreiftem Hemd und Jeans. Als ich näher kam, begrüßte er mich.
»Haben Sie geöffnet?«, fragte ich, weil das Szenario deutlich nach Mittagspause aussah.
»Von sechs bis zwanzig Uhr«, sagte der Mann, ging in den Laden und stellte sich hinter die Theke. »Um diese Zeit ist der große Morgenandrang vorbei. Was darf's denn sein?«
Ich ließ mir drei Schachteln Camel geben. Vorrat konnte nicht schaden. Während der Mann die Zigaretten aus dem Regal holte, überflog ich die Zeitungen auf dem Tresen. Nichts, was ich nicht schon wusste. Express, Bild, Kölner Stadt-Anzeiger und Bergische Landeszeitung. Alles hatte ich schon heute Morgen an der Raststätte studiert. Trotzdem machte mich etwas stutzig: Am Rand des Tresens lag ein Stapel mit Fotokopien. Ein älterer Zeitungsartikel mit Foto. Es zeigte den Kioskbesitzer genau an der Stelle, wo er jetzt stand - vor seinen Regalen mit Zeitschriften und Tabakwaren. »Ohne Bürgschaft kein Ticket« lautete die Überschrift. Und darunter stand: »Kioskinhaber möchte Fahrkarten verkaufen - RVK fordert Sicherheiten«.
»Nehmen Sie das ruhig mit«, sagte der Mann, der, wie ich beim Überfliegen des Artikels erfuhr, Marko Frankowsky hieß.
»Worum geht es denn da?«, fragte ich.
»Um die Lizenz für den Verkauf von Fahrkarten für den Regionalverkehr.« Er schüttelte den Kopf wie jemand, der von einem Thema so genervt ist, das er es nicht mehr hören kann.
»Und Sie kriegen die Lizenz nicht?«, fragte ich.
Er winkte ab. »Die wollen eine Riesensumme als Bürgschaft. Das kann ich mir aber nicht leisten.«
Ich nickte und zählte das Geld für die Zigaretten auf den Tisch. »Ich habe mit dem Laden Anfang des Jahres angefangen. Alles nicht so einfach.«
Ich steckte die Camelschachteln in die Tasche. »Na, dann wünsche ich Ihnen was. Ich hätte aber noch eine Frage. Sie kennen doch hier in der Gegend sicher viele Leute?«
»Einigermaßen. Soweit sie bei mir was kaufen. Worum geht's denn?«
»Ich suche einen Mann, der irgendwo hier am Bahnhof wohnt und Videofilme dreht.«
Er rümpfte die Nase. »Halten Sie sich bloß von dem fern.«
»Warum?«
»Der ist mir so was von auf die Nerven gegangen. Als ich hier anfing, wollte er partout einen Werbefilm über meinen Laden machen. Zehntausend Euro wollte er dafür haben.«
»Das klingt nach
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