Bei Interview Mord
dem Tablett.
»Ein Dreißig-Minuten-Band«, erklärte er. »Das müsste reichen. Aber wir kriegen das Ganze doch sicher noch auf CD, oder?«
Ich nickte und überlegte, wie ich ihn in ein Gespräch über Motorräder verwickeln sollte.
»Schön haben Sie es hier«, begann ich ein bisschen Smalltalk. »Haben Sie das Haus schon lange?«
»Drei Jahre. Vorher haben wir in Köln gewohnt.«
»Sie arbeiten in Köln, oder?«
»Die S-Bahn fährt ja regelmäßig. Gute Verbindung.«
»Sie fahren nicht mit dem Auto?«
»Das lasse ich meiner Frau zum Einkaufen.«
Ich schwieg, und er sagte ebenfalls nichts mehr. Juttas Rausschaltung war beendet. Sie nahm den Kopfhörer wieder ab und fuhr sich durchs Haar.
»Frau Ahrens fährt Motorrad«, sagte ich.
Kley-Knöter hatte wohl inzwischen wieder an etwas anderes gedacht. »Entschuldigung… was haben Sie gesagt?«
»Ich sagte, dass Frau Ahrens begeisterte Motorradfahrerin ist.«
»Ja…«
»Ich leihe mir die Maschine manchmal aus und drehe eine Runde durchs Bergische. Es gibt nichts Schöneres.«
»Mag sein.«
Kley-Knöter blieb verschlossen.
Ich stellte mein Glas ab und spazierte scheinbar ziellos durch den Garten. Die Leute hatten sich wieder über den Rasen verteilt und bildeten kleine Grüppchen. Felix Mayr stand neben einem grauhaarigen Mann mit Bart, der gerade irgendwas über Computer erzählte. Schwäbischer Akzent. Daneben eine Frau, in dunklen wallenden Stoff gehüllt.
Plötzlich wandte sich wieder alles der Mitte des Gartens zu. Jutta kehrte den Rücken der Terrasse zu, wo immer noch Kley- Knöter das Szenario beobachtete. Seine Frau befand sich bei Jutta, die jetzt mit der Hand Zeichen machte und um Ruhe bat. Die Besucher rückten näher heran. Ich folgte ihnen, blieb aber am äußeren Rand.
»Das macht mich nervös, wenn jemand hinter mir steht«, rief Miriam Kley-Knöter aufgeregt. »Geht doch bitte alle mehr in Richtung Terrasse.«
Jemand murmelte eine Bemerkung, die ich nicht verstand, und die Gesellschaft brach in Gelächter aus - auch Peter Volkmer, der den Finger hob. Alles wurde still. Es ging los. Jutta holte Luft.
»Wir sind zu Gast bei Miriam Kley-Knöter. In ihrem Privatgarten in der Schreibersheide in Bergisch Gladbach. Miriam, als was würden Sie sich bezeichnen?«
Jutta hielt der Frau das Mikro so dicht vor die Nase, dass sie erschreckt zurückwich. Ihre lockere Laune von vorhin war verflogen. »Ja, also, ich bin Autorin und leite Schreibkurse«, sagte sie mit heiserer Stimme.
Der Moment war günstig. Alle waren von der Darbietung gebannt. Ich spazierte in Richtung des hinteren Gartens. Das Interview versank immer mehr im Hintergrund, während ich mich der Hütte näherte.
Niemand beachtete mich. Kley-Knöter stand nicht mehr auf der Terrasse, sondern hatte sich zu den Besuchern gestellt.
Da hörte ich ein Geräusch. Hinter mir, in den dichten Büschen am Waldrand, wo der Zaun des Grundstücks verlief, hatte ein Ast gekracht.
Vielleicht ein Vogel, dachte ich. Oder eins der Eichhörnchen, die Miriam Kley-Knöter erwähnt hatte.
Im selben Moment hörte ich Geflatter oben in den Wipfeln. Ein Ast schwankte, und ich erkannte den dunklen Umriss eines Vogels. Ich stand unschlüssig auf dem Gras und überlegte, ob ich einfach in die Hütte gehen sollte. Wieder flatterte etwas. Eine dicke, graue Taube brach durch die Zweige und machte sich aufgeschreckt davon.
Alles wurde wieder still, nur der Wind ging leise flüsternd durch das dicke grüne Laub. Von dem Interview war nun fast nichts mehr zu hören. Ich blickte noch einmal in die Runde, als mich ein Knall erschreckte. Es war keine Explosion, sondern eher so etwas wie ein Peitschenhieb. Mechanisch und trocken. Wie ein Klatschen.
Mir war sofort klar, was das für ein Geräusch war. Ich hörte einen vielstimmigen Aufschrei und blickte zu der Gruppe von Menschen hinten am Haus. Alle hatten entsetzte Gesichter, manche wandten sich ab und rannten auseinander. Jemand lag am Boden. Jutta, den Kopfhörer auf und das Mikro in der Hand, beugte sich nach unten.
Einen Moment lang konnte ich es nicht glauben, doch dann riss ich mich zusammen und sprintete los. Ich raste in das Gebüsch hinein und spürte sofort einen stechenden Schmerz in der Brust. Ich war gegen einen Zaunpfahl gerannt. So schnell ich konnte, kletterte ich über den Maschendraht, verhakelte mich mit dem Fuß, befreite ihn gewaltsam aus der Umschlingung. Ein paar Schritte, und ich stand zwischen hohen Bäumen. Ein Pfad verlor sich im
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