Bei null bist du tot
schüttelte resigniert den Kopf. »Nein, befehlen werde ich es dir nicht.« Dann fügte er hinzu: »Aber ich befehle dir, dich von Jane MacGuire fern zu halten. Versprich es mir, Jock.«
Der Junge antwortete nicht gleich. »Als sie da am Fenster stand, konnte ich nur eine Art … Schatten sehen. Sie stand ganz gerade, den Kopf hoch erhoben. Sie hat mich an eine Schwertlilie oder eine Narzisse erinnert … Es hat mich traurig gemacht, mir vorzustellen, sie zu zerbrechen.«
»Du brauchst nichts und niemanden zu zerbrechen, Jock. Halt dich von ihr fern. Versprich es mir.«
»Wenn Sie es befehlen, halte ich mich von ihr fern.« Er nickte. »Ich verspreche es.« Er betrachtete seine Gardenie. »Ich hoffe, sie überlebt den Winter. Wenn ja, könnten Sie sie nächstes Frühjahr meiner Mutter schenken?«
Gott, manchmal konnte das Leben richtig beschissen sein. »Ja, vielleicht.« MacDuff wandte sich ab. »Ich glaube, darüber würde sie sich freuen.«
Jane erblickte die Statue in dem Moment, als sie Marios Arbeitszimmer betrat.
Die Statue stand auf einem Sockel vor dem Fenster, wo sie vom hellen Sonnenlicht bestrahlt wurde.
»Ist sie nicht fantastisch?« Mario stand vom Schreibtisch auf und trat auf Jane zu. »Kommen Sie ein bisschen näher.
Sie ist perfekt.« Er nahm sie an der Hand und führte sie zu der Statue. »Aber vielleicht wissen Sie das ja selbst. Haben Sie sie schon mal gesehen?«
»Nein. Bisher kannte ich nur Fotos.«
»Es wundert mich, dass Trevor sie Ihnen nicht gezeigt hat. Sie kennen ihn doch schon lange, nicht wahr?«
»Irgendwie schon. Aber es hat sich nie eine passende Gelegenheit ergeben«, antwortete sie abwesend, den Blick auf Ciras Gesicht geheftet. Selbst für sie war die Ähnlichkeit nicht zu übersehen, doch im Moment war sie zu sehr von der Vorstellung beeindruckt, dass der Künstler Cira leibhaftig begegnet war. Vielleicht hatte sie ihm vor zweitausend Jahren sogar Modell gestanden. Und doch wirkte die Statue nicht alt, Ciras Gesichtsausdruck war so modern wie auf einem Foto aus dem People Magazine. Sie blickte entschlossen in die Welt hinaus, wach, intelligent, mit einer Andeutung von Humor im Schwung ihrer Lippen, was sie unglaublich lebendig wirken ließ. »Ja, Sie haben Recht. Sie ist fantastisch. Es heißt, es wurden zahlreiche Statuen von Cira hergestellt, aber diese hier muss die schönste sein.«
»Der Meinung ist Trevor ebenfalls. Er hütet sie wie seinen Augapfel. Zuerst wollte er mich noch nicht mal hier in diesem Zimmer arbeiten lassen, aber ich habe ihm gesagt, dass ich die Inspiration brauche.« Mario lächelte spitzbübisch. »Es war ein echter Sieg für mich. Bei Trevor gelingt mir das nicht oft.«
Es war seltsam, hier zu stehen und das Gesicht zu betrachten, das ihr Leben in vielerlei Hinsicht auf den Kopf gestellt hatte. Die Träume, die Begebenheit vor vier Jahren, die sie um ein Haar das Leben gekostet hätte. Und jetzt schloss sich der Kreis um Cira. Seltsam und faszinierend. Jane riss sich von dem Anblick los. »Und, fühlen Sie sich inspiriert?«
»Nein, aber es hat mir Freude gemacht, sie zu betrachten, wenn ich den ganzen Tag an ihrer Rolle gearbeitet hatte. Es war beinahe, als würde sie mit mir sprechen.« Er runzelte die Stirn. »Aber habe ich nicht im Internet gelesen, dass Ms Duncan eine Rekonstruktion von einem Schädel angefertigt hat, die der Statue von Cira sehr ähnlich sieht?«
»Nein, das war reiner Medienrummel. Sie hat eine Rekonstruktion von einem Schädel aus der Zeit gemacht, aber die sah Cira überhaupt nicht ähnlich.«
»Mein Fehler. Wahrscheinlich war ich so vertieft in die Übersetzung ihres Texts, dass ich nicht richtig aufgepasst habe.«
»Ihr Text«, wiederholte Jane. »Ich wusste gar nicht, dass es Schriftrollen mit Texten von ihr gibt, bis Trevor mir auf dem Weg hierher davon erzählt hat. Vorher hat er nur von Texten über Cira gesprochen.«
»Die beiden befanden sich in einer separaten Truhe, die im hinteren Teil der Bibliothek in der Wand eingeschlossen war. Trevor sagt, er hätte sie vorher noch nicht gesehen, und bei dem Vulkanausbruch im Tunnel könnte die Wand eingestürzt sein. Er meint, sie hätte versucht, sie zu verstecken.«
»Ja, wahrscheinlich. Als sie Julius’ Geliebte war, hat er bestimmt keinen Wert darauf gelegt, dass sie sich mit intellektuellen Dingen beschäftigte. Er war nur an ihrem Körper interessiert.«
Er lächelte. »Das geht eindeutig aus den Texten hervor, die er über sie verfasst hat.
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