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Bei Rotlicht Mord

Bei Rotlicht Mord

Titel: Bei Rotlicht Mord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Léo Malet
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diesem Augenblick stieß jemand ein
unangenehmes, irres Lachen aus und rief mit einem starken Marseillaiser Akzent:
    „Gibt’s hier was zum Feiern? Was soll
der Maskenball?“
    Alle Blicke, meiner eingeschlossen,
richteten sich auf die Stelle, von der die Stimme kam.
    An der Tür, die er soeben hinter sich
geschlossen hatte, lehnte ein junger Ganove in fast schon ein wenig zu
klassischer Haltung: Modell typischer Halbstarker mit Segelohren und schiefem
Maul à la harter Bursche aus dem Film. Seine Hose fiel in Ziehharmonikafalten
auf seine ziemlich dreckigen nackten Füße. Eine aufgeknöpfte, zerknitterte
Pyjamajacke flatterte um seinen Oberkörper. Seine ungekämmten Haare standen
wirr vom Kopf ab, und seine Augen blickten verschwommen und farblos wie die
eines Blinden. Doch er blickte ganz gut durch, was er uns bald beweisen sollte.
Von welcher Seite man ihn jedoch auch betrachtete, ob er nun Rauschgift
genommen hatte oder besoffen war, auf jeden Fall hatte er eine dreckige,
häßliche Visage.
    „Was machst du denn hier, Roger?“,
fragte „Zitrone“.
    „Los, hau ab! „ schnauzte einer meiner
Bewacher zur Unterstützung. „Wir können dich im Augenblick nicht gebrauchen.“
    Gleichgültig gegenüber allem, was die
anderen gegen ihn haben mochten, fragte der häßliche Kerl noch einmal:
    „Was soll der Maskenball?“
    Er löste sich vom Türrahmen und kam
ein paar Schritte auf uns zu.
    „Und der Kerl da?“
    Er zeigte auf mich.
    „Was ist das für’n Kerl?“
    „Ein Kerl eben“, bekam er zur Antwort.
„Geht dich nichts an.“
    Er runzelte die Stirn.
    „Ist das hier ‘ne Besprechung?“
    „Geht dich nichts an, hast du nicht
gehört?“
    „Wenn ihr hier ‘ne Besprechung
abhaltet, will ich Bescheid wissen. Hab ‘n Recht darauf...“
    Er hatte sich dem wackligen Tisch
genähert. Seine Augen überflogen alles, was dort ausgebreitet lag. Seine
verschwommenen, farblosen Augen... Plötzlich pfiff er durch die Zähne und
fragte:
    „Was sucht denn der hier, Dolguet?“
    Alle fuhren erschreckt hoch, so als
wäre ein Gespenst vor uns aufgetaucht.
    „Dolguet?“ schrie „Zitrone“. „Wo soll
Dolguet sein?“
    „Na ja... da! Auf dem Tisch... auf dem
Foto, das ist Dolguet.“
    „Dolguet?“
    „Zitrone“ nahm das Foto in die Hand
und fluchte. Ich glaubte zu sehen, daß seine Augen durch die Sehschlitze
hindurch Funken sprühten.
    „Herrgott nochmal!“ keuchte er. „Das
hatten Sie bei sich, Burma? Dann haben wir uns vielleicht doch nicht geirrt,
und Sie kennen ihn nicht erst seit heute, diesen Dolguet! Ah, jetzt werden Sie
das Maul aufmachen, das verspreche ich Ihnen!“ Er streckte die Hand nach seiner
Waffe aus, die noch eben auf dem Tisch gelegen hatte, und machte ein dummes
Gesicht. Der Revolver lag nicht mehr auf dem Tisch... Und da ertönte auch schon
die unangenehme Stimme des häßlichen Knaben:
    „Habt ‘ne Besprechung abgehalten,
verdammte Maskenbande! Kriegsrat, was? Na, dann erzählt mal! Ich hab ‘n Recht
darauf...“
    Im Augenblick allgemeiner Verwirrung,
die seine Entdeckung von Dolguets Foto hervorgerufen hatte, hatte niemand auf
ihn geachtet. Er hatte die Situation ausgenutzt und den Revolver geklaut. Jetzt
stand er in der Ecke des Zimmers und richtete die Waffe auf die Vierergruppe,
die wir bildeten.
    „Hör auf, den wilden Mann zu spielen“,
sagte der Pappmache-Mann betont ruhig. „Was soll das Ganze?“
    Er hatte zwar keine große Angst; aber
besonders sicher fühlte er sich auch nicht.
    „Gib die Kanone her und geh deinen
Rausch ausschlafen!“ sagte einer meiner Bewacher. „Wir erklären’s dir später.
Hör auf, sonst verletzt du noch jemand.“
    Roger der Häßliche lachte. Hörte sich
an wie ‘ne verrostete Wetterfahne oder wie ‘n Güterzug in einer Kurve. Solche
Geräusche ziehen einem die Zähne besser als die beste Zange.
    „Ja und?“ gab er gefährlich erregt
zurück und begleitete seine Worte mit ausladenden Gesten seines Armes, des
Armes, der den Revolver hielt. Gleich würde das Ding losballern! „Und wenn ich
nun Lust habe, auf Masken zu schießen? Auf solche Masken wie eure, zum
Beispiel? Hm? Ihr glaubt wohl, ich brächte so was nicht fertig, was? Wofür
haltet ihr mich eigentlich? Was macht es mir schon aus, euch einfach
abzuknallen, alle wie ihr daseid, einen nach dem andern... Wollt ihr mich etwa
verarschen? Da wärt ihr nicht die ersten. Meint ihr, das mit Dubaille, das wär
‘n Unfall gewesen? Von wegen! Hab ihm absichtlich die Fresse

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