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Bei Rotlicht Mord

Bei Rotlicht Mord

Titel: Bei Rotlicht Mord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Léo Malet
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poliert!“
    Er stampfte mit seinem nackten Fuß
auf, wohl um zu demonstrieren, was er mit besagtem Dubaille angestellt hatte.
Doch man wußte immer noch nicht, ob er ihn nun erschossen oder einfach nur
verprügelt hatte. Anscheinend kam es dem Kerl auf ein Mißverständnis mehr oder
weniger nicht an.
    „Du gehst uns auf die Nerven!“ rief
derjenige von uns, der offenbar die schwächsten Nerven hatte. Es war der
größere der beiden Gangster, die mich bewachten.
    Plötzlich stieß er mich zur Seite und
stürzte sich auf Roger. Sogleich bekam er Unterstützung von seinem kleineren
Kollegen. Laut brüllend fielen sie über den häßlichen Roger her. Es entstand
ein wirres Durcheinander, das ich auszunutzen beschloß. Ich sprang aus meinem
Sessel hoch und stürzte auf den Tisch zu, um meine Brieftasche und deren Inhalt
an mich nehmen, bevor ich versuchte, im allgemeinen Chaos die Flucht zu
ergreifen. Den ersten Programmpunkt konnte ich ohne Zwischenfall erledigen.
„Zitrone“ war aufgestanden und beobachtete den Ringkampf seiner Komplizen. Doch
dann merkte er, was ich im Schilde führte, und packte mich an der Schulter. Die
Karnevalsmaske war kaum zehn Zentimeter von meinem Gesicht entfernt. Ich mochte
sie einfach nicht mehr sehen... und riß sie dem Mann vom Kopf.
    In meinem ganzen Leben war ich noch
nie so überrascht gewesen. Wir befanden uns hier wirklich in einem Tollhaus!
    Wenn man sich hinter einer Maske
versteckt, dann will man normalerweise nicht erkannt werden. Aber der Kerl mit
dem kantigen Kinn, der etwas zu kräftigen Nase und den kleinen, harten — Augen,
die so durchdringend waren wie ein Klistier, diesen Kerl hatte ich noch nie
gesehen. Was sollte also der Maskenball?, wie der andere Verrückte schon
wiederholt gefragt hatte. Vielleicht würde ich „Zitrone“ eines Tages wieder
begegnen, und er traf schon jetzt seine Vorsichtsmaßnahmen? Vielleicht... Ich
wollte später noch weiter darüber nachden-ken. Im Moment war es wichtiger, dem
Faustschlag des unfreiwillig Demaskierten auszuweichen. Meine Reflexe waren
trotz allem noch in Ordnung und funktionierten tadellos. Ich tauchte nach unten
weg und spürte lediglich einen Schlag gegen die Schulter. Da ich schon mal in
gebückter Haltung dastand, packte ich mit beiden Händen den wackligen Tisch und
kippte ihn um, direkt auf die Füße meines Gegners. Der schrie auf und verlor
das Gleichgewicht. Im Fallen versuchte er, den Tisch in meine Richtung zu
stoßen. Aber ich hatte genug Zeit, um zurückzuspringen. „Zitrone“ landete
wieder in seinem Sessel, wobei er alles mit sich riß. Das letzte, was ich sah,
waren seine seidenen Socken und die spitzen Schuhe. Dann hüllte uns
undurchdringliche Finsternis ein. „Zitrone“ hatte sich an der Stehlampe
festzuhalten versucht und sie so unglücklich umgestoßen, daß die Glühbirne
zerplatzt war.
     
    * * *
     
    Mit einem Satz war ich bei der Tür.
Ich sprang wie eine Gazelle nach draußen und schloß die Tür hinter mir, um Zugluft
zu vermeiden. Im selben Moment hörte man drinnen im Zimmer einen Knall. Das
überraschte mich nicht. So wie das Schauspiel begonnen hatte, mußte es auf
diese Weise — mit einem Knall! — enden.
    Blitzschnell rannte ich durch einen
dunklen, feuchten Korridor... und stieß gegen eine verschlossene Tür. Völlig
sinnlos, gegen diese massive Holztür mit dem unerschütterlichen Schloß
anzurennen. Ich ging ein paar Schritte zurück, tastete die Wand ab und fand
eine weitere Tür. Sie war nicht abgeschlossen. Ich drückte sie auf und befand
mich in einer Küche. Im Hintergrund war ein schwach erleuchtetes Rechteck zu
sehen: das Fenster. Es herrschte keine vollkommen schwarze Nacht. Ich lief zu
dem Fenster, öffnete es und ließ mich außen hinabgleiten. Zwei Meter tiefer stieß
ich mit einem Fuß auf einen Kiesweg, mit dem anderen auf eine alte Kiste.
    Zehn Meter weiter vor mir erhob sich
wie eine Mauer eine Reihe von Bäumen, die im Nachtwind stöhnten. Unter ihnen
konnte ich zwei dunklere Formen ausmachen: zwei Autos! Ich rannte hin und
erkannte meinen eigenen Wagen neben einem fremden. Ich sprang in meinen Dugat
12. Kaum hatte ich die Tür zugeknallt, als auch schon der Motor aufheulte
und ich mich ans Steuer klammerte wie ein Schiffbrüchiger an einen
Rettungsring.
    Ein paar Sekunden lang ließ ich meine
Scheinwerfer über die Kulisse leuchten, um so schnell wie möglich das Terrain
und die Fluchtmöglichkeiten zu sondieren. Zwischen zwei Platanen zeichnete sich
etwas ab, was

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