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Bei Rotlicht Mord

Bei Rotlicht Mord

Titel: Bei Rotlicht Mord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Léo Malet
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Wegweisern.
Christ-de-Saclay... Versailles... Jouy-en-Josas... Paris...
    Ich fuhr über die Porte d’Orléans nach
Paris hinein. Ich hatte Hunger und Durst. In Montparnasse hielt ich an. Hier
konnten meine Bedürfnisse trotz der vorgerückten Stunde (zwei Uhr morgens)
befriedigt werden.
    Eine Dreiviertelstunde später, satt,
aufgebügelt, beinahe überhaupt nicht mehr müde, lediglich ein wenig nervös,
stand ich vor meiner Wohnungstür.
    Auf der Fußmatte lag zusammengerollt
ein Haufen alter Kleider — schmieriger Mantel, geflickte Jeans, verdreckte
Turnschuhe — und schnarchte sanft vor sich hin.
     
    * * *
     
    Ich schüttelte den Schläfer. Er
brummte etwas, gähnte und richtete sich auf, ohne jedoch die Augenlider zu
heben. Wahrscheinlich schlief er noch weiter.
    In diesem Augenblick ging das
Flurlicht aus, und ich knipste es wieder an.
    Während der kurzen Dunkelphase hatte
der Mann die Augen geöffnet. Sie waren sehr schwarz und verschmiert. Die untere
Partie des jugendlichen Gesichtes verlangte nach einer Rasur. Oberhalb der
Stirn sah es ganz ordentlich aus. Die braunen Haare waren sogar noch kürzer,
als es die Mode verlangte. Mit anderen Worten: Der Haarschnitt erinnerte
lebhaft an den Einheitsschnitt der Strafanstalt von Fresnes...
    Der Schläfer sah auf die Schlüssel in
meiner Hand und stammelte mit undeutlicher Stimme:
    „Sind Sie Monsieur Burma?“
    „Ja. Und wer sind Sie?“
    „Jean.“
    „Und wie weiter?“
    „Ganz einfach Jean. Ist mein
Familienname. Hab auf Sie gewartet.“
    „Das sehe ich. Warum?“
    „Muß unbedingt mit Ihnen reden.“
    Träge stellte er sich auf seine Füße.
Der Mann gab eine perfekte Vogelscheuche ab. Eine Zeitung war ihm aus der
Tasche gefallen. Er hob sie auf und hielt sie wie einen Blumenstrauß in der
Hand. Wieder gähnte er und schüttelte sich fröstelnd. Nein, hier im Treppenhaus
war es wirklich nicht warm.
    „Na schön“, sagte ich und steckte den
Schlüssel ins Schloß. „Woher haben Sie meine Adresse?“
    „Aus dem Telefonbuch. Normalerweise
wär ich in Ihre Agentur gekommen, aber da es Samstag ist, hab ich mir gedacht,
ich würde Sie eher zu Hause antreffen.“
    Seine Stimme war klarer geworden. Ein
leichter Akzent hing bestimmten Wörtern an.
    „Da hätten Sie aber noch lange warten
können“, sagte ich, während ich aufschloß und das Licht im Korridor anknipste.
„Kommen Sie rein...“
    Ich ging voran, um einen schnellen
Blick in die Runde zu werfen. Einen professionellen, taxierenden Blick, hätte
man sagen können. Dann schloß ich die Wohnungstür, schob den Riegel vor und
knipste das Licht im Wohnzimmer an. Mein nächtlicher Besucher schien die
behagliche Wärme zu genießen.
    „Setzen Sie sich“, forderte ich ihn
auf.
    Er gehorchte. Bis jetzt war er nicht
sehr widerspenstig gewesen. Er hielt immer noch seine Zeitung in der Hand.
Einer schmutzigen Hand. Es war wohl die Zeit der schmutzigen Hände. Die meisten
Leute, denen ich heute begegnet war, standen mit ihrer Seife auf Kriegsfuß. Ich
sah meine Hände an. Auch sie strahlten nicht grade vor Sauberkeit.
    Schließlich legte mein Gast die
Zeitung auf den Stuhl neben sich. Ich las die fettgedruckte Überschrift: Das
Fernsehen und seine Geheimnisse.
    „Ja, Sie hätten noch lange warten
können“, wiederholte ich. „Es ist Samstag... das heißt, inzwischen ist es
Sonntag. Ich hätte übers Wochenende aufs Land gefahren sein können „Daran hab
ich auch gedacht, aber ich bin trotzdem gekommen, so gegen elf... Sie sind mir
sehr sympathisch“, fügte er hinzu. „Ich glaube, wir beide werden uns
verstehen.“
    „Aber natürlich werden wir das! Warum
denn auch nicht? Zigarette?“
    Inzwischen hatte ich mich ebenfalls
gesetzt und hielt ihm ein Päckchen Gauloises hin.
    „Nein, danke“, sagte er. „ich würde
lieber etwas essen.“
    Ich war platt. Solche Burschen können
mich wirklich Bauklötze staunen lassen!
    „Ich hab seit vierundzwanzig Stunden
nichts mehr zu mir genommen“, versuchte er zu erklären.
    „So abgebrannt?“
    „Nicht nur... Ich war so aufgeregt,
daß es mir den Appetit verschlagen hat. Aber jetzt hab ich das Gefühl, ich
könnte was essen...“
    „Aufgeregt? Warum?“
    „Werd’s Ihnen erklären.“
    „Na gut. In der Küche muß noch Brot
und etwas Schinken sein. Bedienen Sie sich.“
    Wir gingen in die Küche. Ich zeigte
ihm, wo die Lebensmittel standen, und während er sich ein Sandwich machte, ging
ich ins Schlafzimmer, um mir meinen Zweitrevolver zu holen. Zu

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