Bei Rotlicht Mord
Linoleumboden meines Korridors. Er zeigte
ebenfalls blutige Spuren des Zwischenfalls; aber den Boden konnte man leichter
säubern als Nylonslips. Das würde also keine Schwierigkeiten bereiten.
Ich durchsuchte die Taschen des Toten,
fand aber nur unwichtigen Kram. Kein Briefumschlag, kein Brief, nicht die Spur
eines Ausweises. Außer der Ausgabe von Dimanche-Gazette stopfte ich die
magere Ausbeute wieder in die Taschen des Opfers, auch den (einzigen!)
Tausendfrancsschein. Er brauchte ihn nicht mehr, aber es sollte nicht wie ein
Raubmord aussehen, der es ja schließlich auch nicht gewesen war.
Jetzt war noch der schwierigste
Programmpunkt zu erledigen.
Nein, was ich vorhatte, war wirklich
alles andere als anständig! Weder anständig noch elegant, und abgesehen von dem
stabilen Magen, den mein Vorhaben erforderte, war es verdammt riskant. Aber
wenn ich mich als pflichtbewußter, gesetzestreuer Bürger verhalten und die
Flics informiert hätte, wäre ich sie nie mehr wieder losgeworden. Hätte ihnen
alles brühwarm erzählen müssen, und danach hätten sie mich so gewissenhaft
überwacht, daß sie für nichts anderes mehr Zeit gehabt hätten! Besser, ich ließ
sie aus dem Spiel und kümmerte mich selbst um meinen eigenen Kram.
Ich warf schnell einen Blick auf den
Plan der Umgebung von Paris, trank noch einen letzten stärkenden Schluck,
setzte mir eine Mütze auf und zog einen alten Trenchcoat über. Dann knöpfte ich
sorgfältig den Mantel des armen Teufels zu, der sich bei mir — und zweifellos
an meiner Stelle! — hatte abknallen lassen, lud die Leiche auf meine Schultern,
und hopp! Nur keine Müdigkeit Vortäuschen! Jetzt ging’s an die frische Luft...
...und in den Regen hinaus. Es goß
inzwischen nämlich wie aus Kannen. Als ich die Wohnungstür öffnete, schlug mir
ein kalter, nasser Wind entgegen. Er drang durch die offene Dachluke herein und
fegte durchs Treppenhaus.
Unser kleiner Spaziergang fing
schlecht an. Nach den ersten Schritten wäre ich um ein Haar gestolpert und mit
meiner Last die Treppe runtergeflogen. Ein kleiner, zylindrischer Gegenstand
war mir im Weg gewesen: eine leere Patronenhülse, die die Waffe des eiligen
Mörders ausgespuckt hatte. Drei Hülsen lagen auf dem Treppenabsatz. Ich mußte
sie verschwinden lassen. Für einen Moment legte ich die Leiche beiseite, hob
die Hülsen auf, steckte sie ein und lud meine traurige Last wieder auf meine
Schultern.
Zweiter Anlauf. Mir kamen so langsam
Zweifel an meiner genialen Idee. Doch ich hatte schon zuviel Vorarbeit
geleistet, um jetzt noch von meinem ungesetzlichen Pfad abzuweichen.
Das Minutenlicht ließ mich zwischen
zwei Etagen im Stich. Glücklicherweise kenne ich das Treppenhaus wie meine
Westentasche. Trotzdem, ein Aufzug hätte mir meine Arbeit sehr erleichtert!
Würde gelegentlich mal mit dem Hausbesitzer reden müssen. Wenn ich ihm
erklärte, zu welchem Zweck ich solch eine Einrichtung gebrauchen könnte
(Transporte aller Art, insbesondere dem von Leichen), würde er sicher nicht
nein sagen.
Grübelnd, schwitzend und schnaufend,
begleitet von dem klagenden Wind und dem prasselnden Regen, gelangte ich ins
Erdgeschoß.
Und dort fragte ich mich, ob ich
eigentlich nicht sofort wieder hinaufgehen sollte.
Mir war nämlich soeben eingefallen, in
welch jämmerlichem Zustand sich mein Wagen befand. Wie konnte ich nur
vergessen, daß er vor ein paar Stunden in einem Western mitgespielt hatte und
einäugig und mit kaputter Windschutzscheibe aus diesem Abenteuer hervorgegangen
war! Der arme Dugat gab wirklich ein trauriges Bild ab. Auf dem Weg nach
Hause hatte er keine Aufmerksamkeit erregt, weil niemand auf der Straße gewesen
war, vor allem keine Polizeistreife. Auf der Fahrt, die ich jetzt plante, würde
es vielleicht ganz anders aussehen. Plötzlich erschien es mir höchst
unwahrscheinlich, daß ich ohne Zwischenfälle dorthin gelangen würde, wohin ich
gelangen wollte. Das Beste war es wohl, in meine Wohnung zurückzukehren, die
Flics anzurufen, die Konsequenzen der schon begangenen Dummheiten zu tragen und
alles andere zum Teufel zu schicken.
Entmutigt drehte ich mich um und
begann den Wiederaufstieg. Meine Last war jetzt schwerer als vorher beim
Hinabgehen. In der ersten Etage mußte ich eine Verschnaufpause einlegen. So
langsam stank mir die Leiche, im wörtlichen wie im übertragenen Sinne.
In diesem Augenblick feindseliger
Stille, die von Wind und Regen kaum gestört wurde, hörte ich zwei wohlbekannte
Geräusche: das Summen
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