Bei Rotlicht Mord
Hochprozentiges mitgenommen zu haben.
„Eine Blondine wäre mir lieber
gewesen“, flüsterte Hélène nach einigen Kilometern.
Ich verstand sofort, was sie damit
sagen wollte, nahm ihre Hand und drückte sie fest. Ihre Hand war eiskalt.
„Es ist vorbei“, murmelte ich.
Sie erschauerte.
„Anscheinend eignen wir uns nicht zu
Mördern“, fügte ich hinzu.
„Nein“, sagte sie ernst.
Mir war genausowenig zum Lachen
zumute.
Bei Tagesanbruch kamen wir bei mir zu
Hause an. Hélène wollte nicht in ihre Wohnung gefahren werden. Sie hatte Angst,
alleine zu bleiben.
In Gedanken sah ich die blutigen
Wirtsleute von Peirebelhe vor mir, während ich den Linoleumboden in meinem
Korridor reinigte. Ich holte einen alten Teppich, der sich tief in einem
Schrank langweilte, und breitete ihn über den noch feuchten Fleck aus. In einem
anderen Schrank fand ich genügend Hochprozentiges, um ein halbes Dutzend
Schluckspechte besoffen zu machen. Wir hatten nicht vor, uns zu besaufen,
nahmen aber ein paar kräftige Schlucke.
Der interessante Monsieur Dolguet
Gegen Mittag wachte ich auf. Hélène
schlief noch im Gästezimmer. Ich duschte, rasierte mich und kochte Kaffee für eine
ganze Armee. Während er durchlief, blätterte ich in der Ausgabe der Dimanche-Gazette ,
die ihren letzten Besitzer zu dem Besuch bei mir veranlaßt hatte.
Die Überschrift des Leitartikels, die
mir in der vergangenen Nacht ins Auge gesprungen war, Das Fernsehen und
seine Geheimnisse, war reichlich übertrieben. Der Text hielt nicht, was die
Überschrift versprach. Der (anonyme) Verfasser nahm den Tod der
Fernsehansagerin, die angeblichen Morddrohungen, die sie erhalten haben sollte,
und die Anwesenheit des „Privaten“ Nestor Burma am Tatort zum Vorwand, um über
alles und nichts zu schwafeln. Von mir behauptete er, ich sei „der Polizei
wohlbekannt“; ich fragte mich, wie ich das verstehen sollte. Er erinnerte auch
an das Feuer, das vor einigen Jahren die Fernsehstudios am Buttes zerstört
hatte, und drückte seine Genugtuung darüber aus, daß die alten Gebäude durch
moderne ersetzt worden waren. Dann kam er auch auf den jüngsten Brand zu
sprechen, der Henri Dolguet das Leben gekostet hatte, ein Vorfall, der von
allen bedauert worden sei, „denn der Fernsehtechniker besaß ein goldenes Herz“.
Eben jenes goldene Herz hatte Dolguet übrigens umgebracht: Als er jemand
anderen, der vom Rauch schon halb erstickt war, hatte retten wollen, war er den
Flammen zum Opfer gefallen. Der Verfasser dieses Alles-und-nichts-Artikels im
Zickzack-Kurs hatte ganz zu Anfang von Françoise Pellerin gesprochen und dann
einen gewagten Bogen zu den früheren Ereignissen geschlagen:
... Das letzte Mal haben wir
Françoise Pellerin an anderer Stelle als auf dem Bildschirm gesehen, nach jenem
tragischen Unfall, der ihr die Liebe von Henri Dolguet geraubt hatte. Was ist
das für ein unbarmherziges Schicksal, das den beiden Liebenden ein so
tragisches Ende bereitet hat?
Um seinen Kummer darüber zu begießen,
war der Schreiber dann in das nächstbeste Bistro gegangen.
Ich faltete die Zeitung zusammen, als
ich spürte, daß jemand hinter mir stand. Bevor ich mich umdrehen konnte, sagte
eine Stimme:
„Das riecht aber gut nach Kaffee!“
In einen meiner älteren Morgenmäntel
gewickelt, blaß, mit Rändern unter den Augen, noch von unserem nächtlichen
Abenteuer gezeichnet, stand Hélène im Türrahmen.
„Er riecht nicht nur gut, er läßt sich
auch sehr gut trinken“, sagte ich und goß den Kaffee in die Tassen.
„Gut geschlafen?“
„Ja, abgesehen von...“
„...einem Kater?“
„Unter anderem.“
Wir tranken unseren Kaffee. Mit
Aspirin. Hélène fuhr sich mit der Hand über die Stirn.
„Die Kopfschmerzen sind nicht das
Schlimmste“, sagte sie. „Aber warum haben Sie das getan? Ich meine... den Toten
weggebracht?“
„Um meine edelsten Teile vor den Flics
zu retten. Sie wissen doch, wie die einen mit ihren Fragen löchern können: Und
wie hat sich das abgespielt? ... Und was wollte der Tote bei Ihnen? ... Kannten
Sie ihn? ... undsoweiter undsofort.“
„Apropos... Kannten Sie ihn?“
„Nein, ich..
Ich erzählte ihr, was passiert war,
sowohl hier in meiner Wohnung als auch in der gottverlassenen Gegend bei den
Karnevalsmasken.
„Alles scheint auf Henri Dolguet
zuzulaufen“, schloß ich. „Logischerweise könnte seine Frau uns viel über seine
Person erzählen. Ich nehme an, daß sie sich nicht dagegen sträuben wird.
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