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Bei Rotlicht Mord

Bei Rotlicht Mord

Titel: Bei Rotlicht Mord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Léo Malet
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appetitlich
werden, wissen Sie?“
    „Ich begleite Sie“, wiederholte sie.
    Wie dickköpfig meine Sekretärin sein
konnte! Das Licht ging aus, und ich knipste es wieder an.
    „Fühlen Sie sich stark genug... und
verrückt genug?“
    „Ja.“
    Die Zeit verstrich. Wir konnten nicht
ewig hier stehenbleiben. Es wurde von Minute zu Minute gefährlicher. Ich
schickte mich in das Unvermeidliche.
    „Wie Sie wollen“, sagte ich. „Sind Sie
auch sicher, daß Sie in fünf Minuten nicht aus den Latschen kippen werden?“
    „Ich werde nachsehen, ob die Luft rein
ist“, erwiderte sie statt einer Antwort.
    Sie drehte sich um und lief die Treppe
hinunter. Diesmal gaben ihre hohen Absätze keinen Laut von sich. Nur der Duft
ihres Parfüms blieb zurück.
     
    * * *
     
    Wenig später fuhren wir auf die
Außenbezirke von Paris zu. Unser Leichenpaket lag auf dem Boden vor der
Rückbank.
    Das Wetter war genauso furchtbar wie
die makabre Aufgabe, die wir erledigen mußten.
    Nur wenige Autos kamen uns entgegen,
und keins davon sah aus wie das von Ordnungshütern.
    Auf der ganzen Fahrt sprachen wir kein
Wort. Wir rauchten und gähnten um die Wette. Die Nerven!
    Ich fuhr. Hélène fragte mich nicht ein
einziges Mal, wohin die Reise gehen solle. Auch als ich hinter der Porte de
Châtillon die Nationalstraße 306 nahm, zeigte sie keinerlei Neugier.
Wahrscheinlich dachte sie: Egal welchen Weg wir nehmen, er wird uns bestimmt
direkt in den Knast führen! Transport und Verbergen einer Leiche. Das Strafgesetzbuch
sieht derartige Vergnügungen in seinem Katalog vor.
    Wir kamen zur Abzweigung nach
Christ-de-Saclay. Ich fuhr in Richtung Jouy-en-Josas. Es hatte aufgehört zu
regnen, und im Osten hellte sich der Horizont langsam auf. Gleich würde links
und rechts der Straße das bleigraue Wasser des riesigen Sees auftauchen. Des
Sees am Ende der Welt, den ich vor ein paar Stunden entdeckt hatte.
    Ich hielt vor dem unbewohnten Haus,
unter dem ich eine Wehrschieberanlage vermutete.
    Ein Auto, das schon seit einigen Kilometern
hinter uns hergefahren war, überholte uns jetzt und verschwand, ohne sich
weiter um uns zu kümmern. In den folgenden Minuten kam ein zweites aus der
entgegengesetzten Richtung, rauschte vorbei, und das war auch schon alles in
puncto Straßenverkehr. Eine tonlose Stimme neben mir sagte:
    „Um Himmels willen! Du wirst ihn doch
wohl nicht...“ Hélène beendete ihren Satz nicht. Ich tat es für sie.
    „...ins Wasser schmeißen? Nein, sei
unbesorgt.“
    Ich stieg aus, holte einen schweren
englischen Schlüssel aus dem Kofferraum und machte mich daran, das
Vorhängeschloß der rustikalen Eingangstür zu zerschlagen. Als ich die Holztür
öffnete, quietschte sie in ihren rostigen Angeln.
    Das Innere des Kastens bestand aus
einem einzigen, hallenartigen Raum mit Zementboden. Alles war vollkommen
verstaubt, und es lag ein abenteuerlicher, muffiger Gestank in der Luft. In
einer Ecke gähnte ein Loch in dem Zementboden. Wassergeplätscher war zu hören,
vermischt mit dem unheimlichen Knirschen einer Kette, die zum Festmachen eines Fischerbootes
diente.
    Ich ging zum Wagen zurück und
versuchte, unseren blinden Passagier herauszuheben. Ich hatte große Mühe. Man
hätte meinen können, daß er sich auf dem Boden vor dem Rücksitz sauwohl fühlte
und gar nicht mehr von dort weg wollte.
    Herrgott nochmal! Es war nicht der
richtige Augenblick, um über dem Braten einzuschlafen! Noch ein letzter
Kraftakt, und dann war dieser widerliche Alptraum zu Ende. Nur noch ein ganz
kleiner Kraftakt. Ich überwand mich und strengte mich an, und kurz darauf lag der
Tote in seinem provisorischen Grab.
    Ich sage provisorisch, denn ich
hoffte, man würde nicht Jahrhunderte brauchen, um die Leiche hier zu entdecken.
Ich hatte sie nicht hierhertransportiert, damit sie langsam vor sich hin
faulte. Im Gegenteil: Mir war sehr daran gelegen, daß sie den
Sonntagsnachmittagsspaziergängern einen exzellenten Gesprächsstoff lieferte.
Falls es am Nachmittag Spaziergänger geben würde! Doch das Wetter hatte genug
Zeit, sich zu ändern.
    Und noch an etwas anderem war mir
gelegen: daß die Gendarmerie sich durch den Fund zu Ermittlungen in der
Umgebung veranlaßt sehen würde...
    Nachdem die Schwerstarbeit erledigt
war, warf ich die leeren Patronenhülsen in den See, stieg in den Wagen und fuhr
zurück nach Paris.
    Noch nie im Leben hatte ich solch
einen Durst verspürt, solch ein heftiges Verlagen nach einem Glas Schnaps. Ich
bedauerte, nichts

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