Bei Rotlicht Mord
Unannehmlichkeiten bekommt. Deswegen bin ich hier. Aber reden wir erst
noch ein wenig über Notlügen! Ich habe Sie angelogen, das stimmt; aber Sie, Monsieur...“
Sie lächelte. „Sie haben mich ebenfalls angelogen! Haben abgestritten, daß
zwischen dem gestohlenen Schmuck und dem Tod der Fernsehansagerin ein
Zusammenhang besteht. Doch ich hab’s sofort begriffen... Hier! Lesen Sie, was
der Echo des Alpes-Maritimes in seiner gestrigen Ausgabe geschrieben
hat.“
Sie öffnete ihre Handtasche, nahm eine
Zeitung heraus, entfaltete sie und hielt sie mir unter die Nase. Das Drama
am Parc des Buttes-Chaumont, lautete die Überschrift des Artikels, in dem
die Fakten des Falles noch einmal wiedergekäut wurden. Dann hatte der anonyme
Journalist hinzugefügt:
... Rätsel gab die Anwesenheit des
Privatdetektivs Nestor Burma in den Studios auf. Es gilt als sicher, daß Mademoiselle
Pellerin Morddrohungen erhalten und Monsieur Burma zu ihrem Schutz engagiert
hatte. Folglich handelt es sich nicht um einen Selbstmord, wie es zunächst
geheißen hatte. Möglicherweise halten die Ermittlungen noch einige
Überraschungen bereit...
Kommentarlos gab ich Angela
Charpentier die Zeitung zurück.
„Ich hatte den Artikel gelesen“, sagte
die kleine Lügnerin, „und den Inhalt noch so ungefähr im Kopf, als Sie gestern
abend anriefen. Als Sie Ihren Namen nannten, wußte ich sofort, daß Ihr Anruf mit
den Juwelen in Zusammenhang stand. Doch dann fiel mir die tote Fernsehansagerin
ein. Ermordet, wenn ich es richtig verstanden habe. Ich hatte Angst bei dem
Gedanken, die beiden Verbrechen könnten miteinander in Verbindung stehen.
Madame Alderton wurde bereits vom Schicksal schwer geprüft, und im Moment ist
sie sehr krank. Deswegen betrachte ich es als meine Pflicht, ihr weitere
Unannehmlichkeiten, die schlimme Folgen für sie haben könnten, zu ersparen. Als
Sie mich dann nach dem Namen der Versicherungsgesellschaft fragten, habe ich
Ihnen den erstbesten Namen genannt, der mir in den Sinn kam. Ich wollte Zeit
gewinnen, um mit Ihnen zu sprechen, bevor Sie etwas unternehmen würden. Am
Telefon ging das schlecht. Und außerdem... Ich mußte Sie sehen...“
Sie sah mir tief in die Augen.
„...mußte mich davon überzeugen, ob
Sie menschlichen Gefühlen zugänglich sind oder ob Sie ein rücksichtsloser
Mensch sind, von denen es soviele gibt.“
„Donnerwetter! Und wie lautet das
Urteil?“
„Hier ist es“, sagte sie mit ihrem charmantesten
Lächeln. Sie reichte mir einen abgegriffenen, leeren Umschlag. Er war an Madame
Alderton gerichtet, und der Absender lautete: Protection Reliance Inc., 96 Rue
de la Victoire, Paris-IX., ANTin 87-49.
„Protection Reliance ist der richtige Name von Smith-Continental “,
scherzte Mademoiselle Charpentier. „Ich würde Ihnen diese Auskunft nicht geben,
wenn ich kein Vertrauen in Sie hätte.“
„Sie wissen, ich hätte mir den Namen
der Versicherungsgesellschaft auch ohne Ihre Hilfe besorgen können.“
„Natürlich, aber das hätte Sie viel
Zeit gekostet... Wie dem auch sei, ich betrachte mein Entgegenkommen als Beweis
meines Vertrauens.“
„Was bedeutet, daß Sie mich
menschlicher Gefühle für fähig halten?“
„Ja.“
„Wie schön! Und jetzt erzählen Sie mir
doch bitte, was das für ein Gespräch ist, das Sie mit mir führen wollten und
das am Telefon nicht möglich war!“
„Wie schon gesagt, Madame Alderton
wurde durch den Diebstahl und den Wirbel, der darauf folgte, sehr getroffen.
Momentan ist sie krank, und Sie würde weiteres öffentliches Aufsehen nicht
durchstehen.“
„Hat sie schwache Nerven?“
„Oh, nein! Ich kenne niemanden, der so
ausgeglichen wäre wie sie. Aber im Moment ist sie schwerkrank und daher…“
Und daher bat Angela Charpentier mich
um den Gefallen, mit größter Diskretion vorzugehen und, falls ich den Schmuck
hätte, mit der Reliance zusammenzuarbeiten, ohne die Presse oder die
Polizei einzuschalten, wenn es irgendwie möglich sei.
Das Schönste daran war, daß sie
offensichtlich glaubte, ich hätte ihn bereits in der Tasche, den verdammten
Schmuck! Doch da mußte ich sie enttäuschen. Enttäuschen mußte ich sie auch
darin, daß es möglicherweise einen Zusammenhang zwischen dem Schmuckdiebstahl
und dem Tod der Fernsehansagerin gebe. Das schien sie nämlich sehr zu
beunruhigen. Nun, in diesem Punkt konnte ich sie beruhigen. Ich hätte nur eine
noch unsichere Spur, sagte ich, doch sollte ich zu irgendwelchen Resultaten
gelangen, würde ich
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