Bei Rotlicht Mord
Ich
könnte von den Juwelen anfangen zu quatschen, und das würde Sie bei Ihrer Suche
stören. Deswegen packen Sie mich lieber in Watte! Und wenn dann alles vorbei
ist...“ Er zuckte die Achseln. „Ach, scheiß was drauf! Im Knast hat man
wenigstens seine Ruhe! Gehen wir?“
Wir ließen die schlafende Madame
Pellerin in der Obhut von Angela Charpentier zurück und gingen mit Bastou zum
Wagen. Reboul setzte sich neben ihn auf den Rücksitz, und ich klemmte mich
hinters Steuer.
Die Nacht war ruhig. Im Güterbahnhof
von Montrouge-Châtillon wurden Wagen ab- und angekoppelt. Um nach Verrières zu
gelangen, muß man über den Pont des Suisses fahren, der über die Gleise führte.
Und auf dieser Brücke spielte uns Bastou einen ganz besonderen Streich.
Praktisch konnte er sich frei bewegen.
Ich hatte es nicht für nötig gehalten, seine Füße wieder zusammenzubinden und
seine lockeren Fesseln an den Handgelenken zu straffen. Plötzlich stürzte er
sich auf seinen einarmigen Bewacher. Ich stoppte, um Reboul zu Hilfe zu kommen.
Aber Roger, das Affengesicht, rannte bereits auf einen Zaun aus
Eisenbahnschwellen zu, schlüpfte durch eine Lücke hindurch und war
verschwunden. Als wir an die Stelle kamen, sahen wir ihn im fahlen Lampenlicht
an den schimmernden Gleisen entlanglaufen.
Da passierte es. Im Handumdrehen. In
Null Komma nichts.
Bastou stolperte, fiel aufs Maul, und
bevor er sich wieder hochrappeln konnte, rollte ein Waggon über seinen Körper.
„So ein Blödmann!“ murmelte Reboul.
Bahnarbeiter stürzten zu der
Unglücksstelle. Ihre Stimmen drangen an unser Ohr. Den Rufen entnahmen wir, daß
Bastou aufgehört hatte zu leben.
„Ein Halbstarker weniger“, sagte ich,
um Rebouls Nachruf zu ergänzen.
Wir fuhren zur Rue des Forges Nr. 15
zurück.
* * *
Madame Pellerin schlief noch immer.
Angela war überrascht, uns so schnell wiederzusehen. Ich erklärte ihr den
tragischen Grund. Der Tod des Gangsters schien sie aber nicht besonders traurig
zu stimmen, obwohl sie keinen Kommentar dazu abgab.
Reboul setzte seine Nachtwache fort,
auch wenn ich es mir nicht vorstellen konnte, daß Madame Pellerin noch weiteren
unangenehmen Besuch bekam. Das junge Mädchen und ich fuhren zur Rue de l’Alboni
zurück. Es war vier Uhr morgens. Angela sprach auf der ganzen Fahrt kein einziges
Wort.
Bevor ich zu Bett ging, zerriß ich den
Wehrpaß von Roger Bastou in kleine Fetzen. Dann zog ich Bilanz.
Ich konnte mich über die heutige Nacht
nicht beklagen. Noch heute nachmittag hatte es keinerlei Beweise dafür gegeben,
daß Henri Dolguet die Juwelen tatsächlich in Verwahrung genommen hatte. Jetzt
gab es sie, die Beweise. Bastou hatte meine Theorie bestätigt. Natürlich führte
mich das nicht zu dem Ort, an dem ich die Beute suchen mußte; aber ich war
immerhin ein gutes Stück weitergekommen. Auch was den Tod der armen
Fernsehansagerin betraf, konnte ich Fortschritte verzeichnen.
10
Die zitternde Hand
Am nächsten Tag, es war zehn Uhr und
ich schlief noch, klopfte Angela an die Tür meines Zimmers. Ich wurde am
Telefon von meiner Sekretärin verlangt. Ich ging in die Bibliothek.
„Madame Dolguet hat Ihre Nachricht
bekommen, die Sie bei der Concierge für sie hinterlassen hatten“, sagte Hélène
ohne Einleitung. „Sie hat mich soeben angerufen. Ich habe ihr Ihre derzeitige
Telefonnummer gegeben. Wahrscheinlich wird sie Sie anrufen. Ich hab auch die
Nummer von Madame Dolguet notiert. Es ist die 20, Malesherbes. Nicht der
Boulevard, sondern das Kaff im Departement Loiret. Kennen Sie’s?“
„Ja. Und jetzt möchte ich Ihnen erst
einmal einen schönen guten Morgen wünschen, und Sie mir auch. Dazu hatten wir
ja bisher noch keine Zeit.“
„Guten Morgen... Übrigens, die goldene
Stimme von ihr klingt morgens höchstens wie Mattgold ohne gesetzlich
vorgeschriebenen Feingehalt.“
„Aber, aber, seien Sie nicht so
bösartig. Wenn Sie wüßten, was für eine bewegte Nacht wir hinter uns haben
„Keine Details, bitte! Apropos letzte
Nacht: Reboul...“
„Genau! Er ist zum Teil dafür
verantwortlich! Werd’s Ihnen später erklären.“
Wir wechselten noch ein paar passende
Worte und legten auf. Beim Verlassen der Bibliothek stieß ich wieder einmal mit
Angela zusammen. Das schien so eine Art Gewohnheit zu werden.
„Ich bin dabei, Kaffee zu kochen...“
sagte sie mit einem reizenden Lächeln.
Ich konnte nichts Ungewöhnliches an
ihrer Goldstimme bemerken. Hélène hörte wirklich das Gras
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