Bei Rotlicht Mord
wachsen!
.. und werde ihn gleich im Salon
servieren.“
„Sie sind sehr nett zu mir. Aber sagen
Sie, eben, als Sie mich geweckt haben, ist mir ein Stein vom Herzen gefallen.
Sie haben gesprochen! Seit unserer Heimfahrt von Châtillon frage ich mich
nämlich, ob Sie nicht plötzlich stumm geworden sind.“
„Stumm? Ich? Warum? So ein Blödsinn!“
„Sie haben keinen einzigen Ton von
sich gegeben. Ich kenne mehr als einen Menschen, vor allem in Ihrem Alter, der
in einer solchen Situation gar nicht aufhören würde, Fragen zu stellen.“
„Ich bin eben nicht so wie alle
andern, das ist alles! Was sollte ich denn sagen?“ fügte sie ernst hinzu.
„Alles, was ich heute nacht erlebt habe... alles, was ich gehört und gesehen
habe... und was danach passiert ist... Das alles hat mich sehr beeindruckt...
Wirklich, ich wollte es nicht noch durch Fragen und Antworten schlimmer
machen...“
* * *
Zwanzig Minuten später rief ich die
Nr. 20 in Malesherbes an. Am Telefon eine ernste Unterhaltung zu führen, wie
ich es vorhatte, ist nicht grade einfach. Ich versuchte es trotzdem. Es stellte
sich aber schnell heraus, daß Madame Dolguet mir bei unserem ersten und
einzigen Gespräch alles über ihren Mann gesagt hatte, was sie wußte.
„Seit einigen Stunden läßt mir eine
Kleinigkeit keine Ruhe“, sagte ich gegen Ende unseres Telefongesprächs. „Ich
meine die bunten Reklameanhänger. Sie wissen schon: die Schlüsselanhänger Ihres
Mannes. Hab gehört, daß er so was sammelte...“
„Das stimmt.“
„Haben Sie mir davon erzählt?“
Nein, sie habe die Schlüsselanhänger
nicht erwähnt, antwortete sie. Ich bedankte mich bei ihr, legte auf und
schlurfte zurück in mein Zimmer.
Wer denn hatte mir — vor Bastou — im
Zusammenhang mit Dolguet von den Anhängern erzählt? Ich zerbrach mir eine Viertelstunde
den Kopf. Da nichts dabei herauskam, nahm ich das Foto des Toten zu Hilfe. Es
lieferte mir die Antwort: Niemand hatte die Schlüsselanhänger erwähnt. Aber auf
diesem Foto hier hatte ich, ohne weiter darüber nachzudenken, bemerkt, daß ein
bunter Anhänger aus der Westentasche des eitlen Fernsehtechnikers hing.
Plötzlich purzelten die Gedanken in
meinem Kopf nur so durcheinander. Auch viele Fragen, zur Abwechslung.
Ich schnappte mir wieder das Telefon
und rief Jacques Mortier an, den hilfreichen Burschen vom Fernsehen, zuständig
für Auskünfte aller Art. Je nachdem, wie seine Antwort ausfiel, würde ich
Madame Dolguet noch einmal anrufen... oder auch nicht.
„Hallo, Mortier? Hier Nestor Burma,
der Unersättliche“, meldete ich mich. „Hören Sie, Sie haben mir ‘ne Menge über
Henri Dolguet erzählt; aber ich kann mich nicht mehr erinnern, ob Sie erwähnt
haben, in welchem Zustand seine Leiche war. War sie vollkommen verbrannt? Ich
meine, so wie ein zur Unkenntlichkeit verkohltes Steak?“
Zum ersten Mal seit unserer
Zusammenarbeit erlaubte sich Mortier einen Kommentar:
„Ojeoje! Zur Unkenntlichkeit verkohlt!
Wollen Sie damit etwa andeuten, daß es sich eventuell nicht um Dolguets Leiche
handelte?“
„Nein“, beruhigte ich ihn. „Ich möchte
die Dinge doch nicht aus reinem Spaß komplizierter machen, als sie sind.
Obwohl...“
Ich schwieg nachdenklich. Mir wurde
plötzlich klar, daß ich noch gar nicht die Umstände des Todes von Dolguet
ernsthaft untersucht hatte. Sicher, ich hatte kaum Zeit dazu gehabt; aber es
war immer noch möglich, das Versäumte nachzuholen, und es konnte recht
fruchtbar werden...
„Obwohl die Umstände seines Todes
ziemlich rätselhaft waren“, beendete ich meinen Satz.
„Ja, wenn man es so sehen will.“
Seine Stimme klang nicht sehr
überzeugt.
„Ich spreche nur von dem, was ich
darüber weiß“, sagte ich. „Zum Beispiel behaupten einige, er sei Opfer seiner
Gutherzigkeit geworden. Er habe sich in die Flammen gestürzt, um einen Kollegen
zu retten. Andere jedoch schließen die Möglichkeit aus. Und ich wiederum
beginne mich zu fragen, ob man ihn nicht vielleicht ins Feuer geschubst hat.“
Jacques Mortier lachte.
„Oh, Mann, Sie kommen auf Ideen! Nein,
nein, vergessen Sie Ihre Hypothese! Er ist nicht hineingestoßen worden.
Auf den Gedanken ist niemand verfallen, nicht mal die Polizei! Aber
genausowenig stimmt es, daß er jemanden retten wollte. Dort, wo ihn die Flammen
erwischt haben, befand sich niemand in Gefahr. Außer ihm selbst natürlich...
Aber da Sie schon von rätselhaften Umständen sprechen: Es gab da ein Rätsel,
wenn man so
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