Bei Rotlicht Mord
weiter zurück. Der
Korridor war nicht sehr groß, und so standen wir schon bald in einem luxuriös
ausgestatteten Salon.
„Ewig ist vielleicht etwas
übertrieben“, relativierte ich. „Sagen wir, seit Sie Françoise Pellerin in den
Tod geschickt haben.“
Aufstöhnend ließ sie sich auf einen
Stuhl fallen, wie ein kaputter Hampelmann. Und wieder schauten ihre Augen
abwesend ins Leere.
„Wie halten Sie das nur aus?“ fragte
ich, aufrichtig mitfühlend.
„Ich halte es nicht mehr aus“,
flüsterte sie.
„Haben Sie schon daran gedacht, sich
der Polizei freiwillig zu stellen?“
„Ich habe noch an ganz etwas anderes
gedacht, aber bisher fehlte mir der Mut.“
„Ach, Quatsch!“ Ich ging zu ihr hin
und tätschelte ihr freundschaftlich die Schulter. „Ihr Selbstmord würde sie
nicht wieder lebendig machen. Und außerdem war es doch ein Unfall! Man würde
Sie nicht zum Tode verurteilen.“
„Ja, es war ein Unfall“, hauchte sie
und sank noch mehr in sich zusammen. „Aber das würde mir niemand glauben.“
„Doch! Wenn ich’s schon erraten habe,
dann werden es andere doch wohl glauben, denen man es erklärt.“
„Ein Unfall“, wiederholte sie. „Wie...
Wie haben Sie das erraten?“
„Erraten eben. Sie sehen nicht aus wie
eine Mörderin. Eine richtige Mörderin erfindet keine Geschichte von angeblichen
Schulden, um der bedürftigen Mutter des Opfers Geld zuzustecken. Dennoch haben
Sie getötet. Folglich kommt nur ein Unfall in Frage. Andersherum: Es gab keinen
Grund, Françoise Pellerin umzubringen. Trotzdem ist sie tot. Also war es ein
Unfall.“
„Niemand wird das glauben“,
insistierte sie.
„Doch. Ich werde Ihnen dabei helfen.
Mal sehen... Wir unterhalten uns jetzt ein bißchen miteinander, und dann gehen
wir gemeinsam zu den Flics.“
„Besser, wir gehen sofort! Dann ist es
endlich zu Ende.“
„Nein. Zuerst reden wir... Also, ich
glaube, daß es mit Ihrem Haß auf Lydia Orzy angefangen hat. Sie wollten Sie
vernichten, stimmt’s? Und dann haben Sie irgendwie erfahren, daß ihr Geliebter,
Vivonnet, ein Gangster ist, der sich mehr oder weniger aus dem Geschäft
zurückgezogen hat. Wenn das bekannt würde, haben Sie sich gesagt, käme es zu
einem Skandal, von dem sich Ihre Rivalin nie wieder erholen würde. Richtig?“
„Ja“, flüsterte Olga mit halbgeschlossenen
Lidern. „Erzählen Sie mir alles, dann wird es Ihnen besser gehen.“ Folgsam
lieferte sie mir den folgenden Bericht, mit leiser Stimme, unendlich müde, wie
abwesend. Im großen und ganzen wurden meine Vermutungen bestätigt.
Ja, um Lydia zu schaden, wollte sie
Vivonnet „entlarven“. Zunächst wußte sie nicht, wie sie es anstellen sollte.
Sie hätte zum Beispiel bösartige Gerüchte verbreiten können. Etwa durch die
Zeitung, bei der der Journalist arbeitete, von dem sie erfahren hatte, womit
der Liebhaber ihrer Feindin sein vieles Geld verdient hatte. Oder sie hätte bei
der Polizei eine anonyme Anzeige erstatten können. Aber vielleicht hätte keine
dieser Aktionen den gewünschten Effekt gehabt. Vielleicht zögerte Olga auch
unbewußt, den riskanten Plan in die Tat umzusetzen. Schließlich war Vivonnet
ein gefährlicher Gangster. Wenn er erfahren hätte, daß sie die Gerüchte in
Umlauf gebracht hatte, wäre sie ihres Lebens nicht mehr sicher gewesen! Kurz
gesagt, die Pläne wären hübsch in der Schublade geblieben, hätte nicht ich,
Burma, die allgemeine Aufmerksamkeit auf den Fall Mairingaud gelenkt... und
damit auf mich. Die Zeitungen stellten mich als die Spürnase Nr. i hin, als den
Mann, der Gangster entlarvte. Dazu noch als einen dynamischen Privatflic mit
der Neigung, sich um Dinge zu kümmern, die ihn nichts angingen. Olga sagte
sich: „Das ist mein Mann! Wenn es mir gelingt, ihn auf Vivonnet anzusetzen,
dann werden die Fetzen fliegen, und es wird der nötige Staub aufgewirbelt!“ Zur
Not hätte sie mich irgendwie darauf aufmerksam gemacht, um wen es sich bei
Olgas Liebhaber handelte. Sie mußte nur auf die passende Gelegenheit warten,
mich in Vivonnets Nähe zu bringen. Solch eine Gelegenheit waren die
Dreharbeiten zu Lucots Fernsehspiel. Da Vivonnet Lydia häufig ins Studio begleitete,
brauchte Olga mich nur zu veranlassen, ebenfalls am Buttes aufzutauchen. Aber
wie sollte sie mich in die Rue Carducci locken, ohne selbst in Verdacht zu
geraten? Denn sie wollte doch auf jeden Fall vermeiden, daß der Gangster im
Ruhestand auf sie aufmerksam wurde. Die Lösung war ganz einfach: Olga nutzte
die
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