Bei Rotlicht Mord
unerträglich.
„Oh, verdammt!“ rief ich. „Das wäre...
Das wäre zu schön, um wahr zu sein... Das wäre...“
Ich beruhigte mich wieder. Blieb
unbeweglich liegen. Im Augenblick konnte ich nur eines tun: warten.
* * *
Madame Dolguet war bereits in ihrer
Wohnung, als ich an der Tür läutete. Es war Samstagmittag, zehn vor zwölf.
Gerade erst aus Malesherbes eingetroffen, hatte sie dennoch Zeit gehabt, aus
dem alten Plunder, wie sie es nannte, die persönlichen Dinge ihres ehemaligen
Ehemanns herauszusuchen.
Die Schätze warteten auf einem kleinen
Tischchen auf mich; wie auf einem Silbertablett lagen sie da, lächerliches
Strandgut, verstaubt und vom Feuer geschwärzt. Ich legte die Uhr zur Seite, die
Ringe, die Schlüssel, die an einem gewöhnlichen Schlüsselring hingen und
wahrscheinlich seine Wohnungsschlüssel gewesen waren. Mein Interesse galt dem
Schlüsselanhänger, genauer gesagt: dem Karabinerhaken, der mit einer kleinen
Kette versehen war. Und an der Kette hingen zwei verschieden lange Schlüssel.
Keiner von beiden war ein Banksafeschlüssel. Der größere war etwa fünf
Zentimeter lang und sah aus wie der Schlüssel zu einem Keller. Vielleicht war
er es auch. Nichts weiter als ein Kellertürschlüssel. Der andere, fast zwei
Zentimeter kürzer, konnte als anständiger Schlüssel für einen Nachttisch, eine
Kommode oder ein Büfett durchgehen. Das gefiel mir. Ich schaute nach, ob der
erste, längere Schlüssel nicht irgendwie gekennzeichnet war, bemerkte aber
nichts. Ich stellte nur fest, daß er grob gearbeitet war, so als wäre er von
einem Laien angefertigt worden. Ich fragte Madame Dolguet, ob ihr Mann so etwas
wie ein Heimwerker gewesen sei. Sie bejahte. Demnach konnte der lange Schlüssel
Dolguets Werk sein. Auch das gefiel mir. Ich nahm den kleineren Schlüssel in
die Hand. Dieser hier stammte nicht aus der Werkstatt eines Hobbyschlossers. Je
länger ich ihn betrachtete, desto mehr erzählte er mir etwas von einem
Möbelstück. Es klang wie süße Musik in meinen Ohren.
Ich fragte Madame Dolguet, ob die
Männer, vor denen sie solche Angst gehabt hatte, bei ihrer Hausdurchsuchung
vielleicht einen Blick auf den „Plunder“ geworfen hätten. Sie erwiderte, aller
Wahrscheinlichkeit nach sei er den schrecklichen Männern nicht entgangen. Der Meinung
war ich auch. Ich war weiterhin der Meinung, daß Vivonnet & Co. von
dem Fund nicht besonders beeindruckt gewesen waren. Was konnten sie schon mit
einzelnen Schlüsseln anfangen? Wenn sie allerdings zwei oder drei Schlösser im
Hinterkopf gehabt hätten, in die man die verschiedenen Schlüssel stecken
konnte! Da das jedoch offensichtlich nicht der Fall gewesen war...
Und genau das war der Vorsprung, den
ich vor ihnen hatte! Mindestens bei einem der beiden Schlüssel wußte ich, in
welchem Schloß ich probieren mußte.
* * *
Nachdem ich Madame Dolguets Wohnung
verlassen hatte, rief ich in den Fernsehstudios am Buttes an. Ich wollte
wissen, ob die Flics dort immer noch herumschnüffelten. Mir wurde mitgeteilt,
daß dies der Fall sei. Ich fuhr zu Angela nach Passy zurück.
Jetzt mußte ich nur darauf warten, daß
Olga Maîtrejean, die Schauspielerin mit dem großen Erholungsbedürfnis, aus
ihrem Kurzurlaub zurückkam.
Sie kam am nächsten Tag zurück, am
Sonntag. Ich erfuhr es erst am Montag gegen neun Uhr, als ich mit ihrer
Concierge telefonierte. Ich verabschiedete mich von Angela, ohne ihr zu
verraten, was ich vorhatte, und kurz darauf setzte mich ein Taxi vor dem Haus
des Fernsehstars ab.
Auf mein Klingeln hin kam Olga
Maîtrejean persönlich zur Tür, um zu öffnen. Schlurfend. Ihr schwarzes Haar war
straff zu einem Pferdeschwanz zurückgekämmt. Sie trug einen Faltenrock und
einen Rollkragenpulli, war nicht geschminkt und hatte Ringe unter den Augen.
Sie sah zehn Jahre älter aus, als sie in Wirklichkeit war. Man mußte nicht von
einer Militärakademie kommen, um zu erraten, daß sie um diese zehn Jahre
gealtert war, seit Françoise Pellerin in Gottes Armee eingetreten war.
Bei meinem Anblick belebten sich ihre
abwesend blickenden Augen und spiegelten panische Angst wider.
„Großer Gott! Sie?!“ rief sie aus.
Instinktiv wich sie zurück. Ich nutzte
das aus, trat ein und schloß die Wohnungstür hinter mir.
„Ja, ich bin’s“, sagte ich. „Mich
haben Sie wohl nicht erwartet, was?“
„Doch, genau Sie“, hauchte sie. „Ich
habe sogar das Gefühl, daß ich schon ewig auf Sie gewartet habe.“
Sie wich immer
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