Bei Tränen Mord: Roman (German Edition)
funktioniert mit de Blume un de
Biene. Die junge Leut heut. Alles wissen se, mit allem kennen se sich aus. Aber
die einfachsten Dinge des Lebens verstehn se nit.«
»Vielleicht
möchten Sie für Ihr Urenkelchen ein schönes Spielzeug bestellen, wir haben auch
Baby…«
»Ach was,
is doch noch alles do, vom Lucy, alles noch wie neu. Die Kinder werde jo mit allem
zugeworfen, und dann wissen se nimmeh, was die Sache wert sind. Geht ebbes kaputt,
schwupp, wird es neu gekauft. Bestimmt sind Se ach so eine, oder? Wie alt sind Se
denn, Kindchen?«
»Ääh, das
tut eigentlich nichts zur Sache, Frau Schnatterbeck …«
Wieder unterbricht
sie mich. »Ach, jetzt werden Se ach noch unverschämt …«
»Nein, Frau
Schnatterbeck, gar nicht. Vielleicht würden Sie gerne eine Fernsehzeitschrift abonnieren?
Wir hätten bestimmt die richtige für Sie …«
»Warum wollen
Se mir nit sagen, wie alt Se sind? Haben Se aach schon ein Kind? Sie sind doch noch
ganz jung, oder? Meine Tochter is aach schon mit 17 Mutter geworden.«
»Nein, ich
habe noch kein Kind, und ich bin nicht mehr soo jung. Jedenfalls älter als Ihre
Enkelin.«
»Sie sind
aber sehr vorlaut, Fräuleinchen, wissen Se das?«
»Ääh …«
Im Hintergrund
höre ich Stimmen. Anscheinend wird Frau Schnatterbeck angesprochen.
Sie wehrt
sich. »Jetzt lass mich doch emol, ich bin aach froh, wenn ich emol mit einem anderen
reden kann! Lass de Hörer los!«
Offensichtlich
versucht jemand, der guten Frau das Telefon zu entreißen. »Hilfe!«, gellt es in
mein Ohr. Ich überlege, ob ich einfach auflegen soll. Aber da meldet sich eine jüngere
Frauenstimme. »Schnatterbeck hier. Wer is da?«
»Schönen
guten Tag, hier ist Lucinda Schober von der Mediaboutique …«
»Mediaboutique?
Was soll das? Ständig ruft jemand von Ihrem Verein hier an und will irgendwas verkaufen!
Ich habe Ihnen schon tausendmal gesagt, dass wir nix kaufen!«
Ihr Tonfall
ist extrem unfreundlich. Ich spüre sofort, dass die junge Frau Schnatterbeck – der
Stimme nach nicht älter als ich, und die wird schon Oma … – zur Gruppe der Energievampire
gehört.
Kennen Sie
die? Es gibt Menschen, die rauben einem jede Energie, durch Unfreundlichkeit, durch
überbordende Mitteilsamkeit oder einfach, indem sie im falschen Moment in Ihrem
Leben aufpoppen. Frau Schnatterbeck junior gehört zur ersten Sorte, Frau Schnatterbeck
senior zur zweiten und beide gehören sie der dritten Sorte an. Diese Familie hätte
ich mir am heutigen, bisher so gut verlaufenen Tage wirklich gerne erspart.
»Entschuldigen
Sie bitte, aber Sie haben vielleicht mit einem anderen Anbieter gesprochen. Wir
notieren die Wünsche unserer Kunden und richten uns danach.«
»Ach, hören
Se doch uf. Ihr gehört doch alle zu demselben Pack! Ja, Pack seid ihr. Asozialer
Abschaum. Habt nix Besseres zu tun, als wie den Leuten das Geld aus der Tasche zu
ziehen. Ich hab euch allegar gefressen!«
Im Hintergrund
höre ich die Stimme der alten Schnatterbeck. »Jo, sag der emol Bescheid. Die wollt
mir Babyspielsachen verkaufen. Und eine Zeitung. Ich hätt beinahe schon zugesagt.«
»WAS? Du
verbrecherische Halsabschneiderin!« Damit meint sie mich.
Ich schlucke.
Meine Hochstimmung verabschiedet sich. Klar, ich könnte einfach darüber lachen.
Aber mit der Zeit bleibt mir bei solchen Kunden das Lachen im Halse stecken. Muss
ich mir so etwas wirklich bieten lassen?
»Du bist
doch eine ganz bescheuerte dumme Fotze! Wir kaufen nix! Klar?«
Ich lege
auf. Eigentlich könnte mir Frau Schnatterbeck leidtun. Sie hat es offensichtlich
nicht ganz leicht im Leben. Ich seufze.
Okay, das
war jetzt ein Satz mit x. Meine Stimmung ist hin, aber wenigstens muss ich nicht
weinen.
»Noch ’n
Kaffee für dich, Lucy?« Maurice sieht zur Adressliste auf dem Bildschirm und dann
zu mir. Ich nicke dankbar.
»Wird hier
auch noch was gearbeitet?« Wo kommt denn Dürri so unverhofft her? Er steht im Mittelgang
und wippt von den Fersen auf die Zehen und zurück.
»Ich habe
heute schon viele Verkäufe geschafft, Herr Dürrbier. Ich gehe jetzt an die Arbeit,
wenn Sie nichts dagegen haben.« Mist! Ich weiß doch genau, wie überempfindlich er
auf solche Spitzen reagiert. Und – wumm – kriege ich die Quittung für mein vorlautes
Verhalten.
Er lächelt
hauchdünn. »So! Ja, dann arbeiten Sie mal schön weiter, Frau Schober.« Schon öffnet
er eine seiner Horrorlisten. Ich stöhne.
»Bitte sehr,
unsere ganz speziellen Spezialfälle.«
Maurice
zieht den Kopf ein und
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