Bei Tränen Mord: Roman (German Edition)
entschwindet in die Küche. Na, wenigstens bekomme ich gleich
einen frischen Kaffee.
Ich wähle
die Nummer von Mark Friskeel. Ausnahmsweise ein normaler Name. Wieder mal bedauere
ich es, dass Dürri in seine Liste keine Warnhinweise aufnimmt. Hier sind nur die
letzten Produkte vermerkt, die Herr Friskeel bestellt hat oder bestellen sollte.
Wieder mal Wein, ein Abo für eine Wissenschaftszeitung und – hihihi – Kuschelhandschellen
und Samtpeitsche.
»Kapuzinerbank
Saar, Friskeel.«
Ups, eine
dienstliche Telefonnummer? Was hat das wohl zu bedeuten? Die Kapuzinerbank ist mir
ein Begriff, ich sehe ihren Schriftzug jeden Morgen, wenn ich in den Fahrstuhl steige.
Die Vorstellung, dass Mark Friskeel einige Meter unterhalb von mir sitzt – und auf
der Horrorliste steht –, beflügelt mich nicht direkt …
»Einen wunderschönen
guten Tag, hier ist die Mediaboutique, Lucinda Schober am Apparat.«
Ein genervtes
Stöhnen. »Nicht Sie schon wieder!«
»Ich glaube,
wir hatten noch nicht das Vergnügen, Herr Friskeel. Darf ich Ihnen ein Angebot unterbreiten?
Sie haben vor 27 Monaten den roten Spanier bei uns bestellt.«
»Stopp!
Ich will den roten Spanier nicht, klar? Streichen Sie mich doch endlich aus Ihrer
gottverdammten Liste, Sie bescheuertes Weibsbild!«
Ehrlich,
nachdem ich mich schon von den Damen Schnatterbeck habe beleidigen lassen müssen,
sehe ich gar nicht ein, brav die Klappe zu halten.
»Herr Friskeel,
Sie haben keinerlei Anlass, mich zu beschimpfen …«
»Beschimpfen
nennen Sie das? Ich sage Ihnen, was beschimpfen bedeutet. Eine dumme, fette, pickelige
Kuh sind Sie. Hohl in der Birne noch dazu. Und wahrscheinlich machen Sie für alles
die Beine breit, was an Ihnen vorbeikommt und Eier hat …« Plötzlich hält er die
Klappe. Wartet er auf eine Reaktion von mir? Der gute Mann muss einen grässlichen
Tag hinter sich haben, wenn er mich ganz ohne Grund dermaßen schamlos beschimpft.
Tja, ich fühle mich aber nicht zu seinem persönlichen Blitzableiter berufen. No,
Mister!
Ein angenehmer
Duft steigt unverhofft in mein Näschen. Maurice stellt einen herrlichen Latte macchiato
neben meine Tastatur. Er runzelt die Stirn, ich schüttle den Kopf und winke ihm,
dass er einfach weitergehen soll. Er kann mir eh nicht helfen. Er zuckt mit den
Achseln und stellt sich neben Lena, deren Augen bei meiner Antwort über dem Bildschirm
aufgetaucht waren und jetzt wieder abtauchen.
»Herr Friskeel,
jetzt reicht es. Wie kommen Sie dazu, mir solche Unverschämtheiten an den Kopf zu
werfen?«
Ich weiß
ja, dass es überhaupt nichts bringt, mich auf sein Niveau herabzubegeben. Außerdem
ist Deeskalation das Gebot der Stunde. Aber wenn ich selbst nicht irgendwann mal
Dampf ablassen kann, dann nützt mir die beste Deeskalation nichts mehr! »Ich kenne
Sie nicht, und Sie kennen mich nicht.«
»Brauche
ich gar nicht. Was für Typen in den Callcentern arbeiten, weiß ich auch so. Ich
sehe euch täglich zum Fahrstuhl watscheln. Ihr könnt alle froh sein, wenn ihr überhaupt
jemanden abbekommt. Streichen Sie mich endlich von der gottverdammten Liste, Sie
dumme Pute!«
»Herr Friskeel,
ich verbitte mir das!« Ich schlucke, meine Sicht verschwimmt. Ich werfe Lena einen
verzweifelten Blick zu. Sie nickt verständnisvoll. Wir sitzen doch alle in einem
Boot, soll das heißen.
Der Friskeel
scheint ein wenig zum Jähzorn zu neigen. Nur so kann ich mir seinen folgenden, völlig
überzogenen Ausbruch erklären. »Schluss, aus, es reicht! Verpiss dich, dumme Sau!«
Tut, tut,
tut, hat er endlich aufgelegt.
»Na? Lief
wohl nicht so toll, oder?« Dürri ist neben meinem Schreibtisch aus dem Nichts aufgetaucht
und wippt wieder mal auf seinen Füßen vor und zurück. Er verschränkt die Arme hinter
dem Rücken und beugt sich zu mir. Schon rieche ich seinen Muff-Rillo-Kaffee-Atem.
Wi-der-lich!
Mir laufen
Tränen die Wangen herunter.
Immer wenn
ich weinen muss, passiert eine Katastrophe.
Schon klar,
oder?
»Ich habe
übrigens eine gute Nachricht für Sie, Frau Schober.«
Ich blinzle
zu ihm hoch. Mein eingeschüchterter, larmoyanter und vertrauensseliger Zwilling
überwiegt gerade. Meint mein hutzeliger kleiner Chef es doch gut mit mir? Obwohl
ich ihn um eine halbe Haupteslänge überrage?
Er entblößt
seine Zähne. »Sie dürfen am Wochenende arbeiten. Ist das nicht schön?«
Schön soll das
sein?
»Das bringt
Ihnen extra Geld.«
Ach so,
klar, deshalb . Ich schluchze auf. Dürri lächelt weiterhin sardonisch. Endlich
verzieht
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