Bei Tränen Mord: Roman (German Edition)
Zärtlichkeit übermannte
ihn und er legte ihr die Hand auf die Schulter. Maurice starrte ihn an, seine Pupillen
waren geweitet wie die eines angeschossenen Rehs. Lucy strahlte Frank an. Ja, sie
brachte ihm die gleichen Gefühle entgegen wie er ihr. War die Welt nicht wunderbar?
»Frank«,
nörgelte Ellen in sein Ohr, »was ist denn nun?«
»Ja, ich
komme gleich vorbei. Bis nachher.« Er legte auf, dann fixierte er Maurice so lange,
bis dieser trotz seines einfachen Gemüts begriff, was er von ihm wollte, und sich
mit einem gemurmelten »Ich frog mal die andern, ob sie Kaffee wollen« trollte.
»Sehen wir
uns noch?«, fragte er leise.
Lucy legte
kurz ihre Hand auf seine, doch dann zogen sie beide wie ertappt ihre Hände zurück.
»Soll ich dich anrufen, wenn ich zu Hause bin?«
»Mach das.«
Er hätte sich gerne über sie gebeugt, um ihr einen Kuss auf die Wange zu hauchen,
aber das passte jetzt wohl nicht.
»Puh, Gott sei Dank, dass du kommst.
Ich hatte eben einen fürchterlichen Krampf und dann Seitenstechen.« Mit diesen Worten
empfing Ellen ihn im Treppenhaus, kaum dass er die Haustür geöffnet hatte. Hatte
sie auf der Lauer gelegen, um ihn abzupassen? Frank spürte einen dicken Kloß im
Hals. Hatte er sich seit der Trennung völlig ungebunden gefühlt, so wuchs sich ihr
ständiges Abpassen zu einer Art Besessenheit aus, die ihn fast paranoid werden ließ.
Gerade eben hatte er sich dabei ertappt, den Schlüssel nur zögerlich im Schloss
zu drehen, weil er halb damit rechnete, dass sie ihn schon wieder erwartete. Mist!
Wieso fing sie jetzt mit solchem Verhalten an? Früher hätte sie sich darüber mokiert.
»Krampf-Seitenstechen?«,
wiederholte er konfus, und dann brach ein unkontrolliertes Lachen aus ihm heraus.
Sie stemmte die Hände in die Hüften. Wieso hing sie eigentlich um diese Uhrzeit
immer noch in diesem hirnrissigen gestreiften Bademantel herum? Bildete sie sich
ein, sie sei hochschwanger und müsse jeden Moment mit Wehen rechnen?
Erschrocken
über seine Gedanken rief Frank sich zur Ordnung. Mit einem Räuspern lächelte er
sie unverbindlich an. »Sicher ist das ganz normal …«
Sie drehte
sich um. »Kommst du hoch?«
Er folgte
ihr. In seinem Innern breitete sich ein ungutes Gefühl aus, als er ihre Wohnung
betrat. Der Dieter war offenbar nicht da. Sie zeigte auf einen Stuhl und watschelte
in die Küche. »Trinkst du ein Glas Wasser?«, fragte sie.
»Ja, danke.«
Als sie
sich an den Tisch setzte, registrierte er ihr ungewaschenes Haar. Anscheinend hatte
sie es heute Morgen nicht einmal gekämmt. Es war ihm neu, dass eine schwangere Frau
sich in den ersten Wochen so gehen ließ, und zu Ellen passte es überhaupt nicht.
Trotzdem wollte er sie nicht fragen, wie sie sich fühlte. Er fürchtete ihre Antwort.
Doch er
brauchte sie nicht zu fragen; sie hatte ihn ja eigens deshalb herzitiert. Vermutlich
hatte sie absichtlich einen Moment abgepasst, in dem sie völlig ungestört mit ihm
reden konnte.
Sie legte
die Hände neben das Wasserglas. Die Sonne schien herein und warf einen lila Schimmer
durch das Glas auf ihre rechte Hand. Sie sah ihn unverwandt an, schien in seinem
Gesicht nach etwas zu forschen. Dann seufzte sie. »Frank, hast du mich noch lieb?«
Was sollte
diese Frage? Ihre Pupillen weiteten sich, als er nicht sofort antwortete. Wenn sie
jetzt bloß nicht losheulte!
»Hmm … Warum
fragst du das?«
»Es ist
mir wichtig.« Sie schluckte. »Ich … ich habe dir doch schon gesagt, dass ich mir
nicht mehr sicher bin wegen dem Dieter …«
Er wischte
sich mit der Hand über die Stirn. Ein Albtraum. »Ellen. Findest du nicht auch, dass
der Zeitpunkt, um an eurer Beziehung zu zweifeln, äußerst ungünstig ist?«
Sie verschränkte
die Arme vor der Brust. Ihr Blick huschte nach unten. »Weiß ich doch. Aber ich kann
nichts dafür!«
»Ich vielleicht?
Was hat das denn mit mir zu tun, Ellen?«
»Bist du
wirklich so herzlos?«
»Das ist
unfair, und du weißt es. Wir sind seit über einem Jahr getrennt. Wir haben bereits
über Scheidung nachgedacht. Du warst die ganze Zeit glücklich mit dem Dieter. Und
jetzt bekommt ihr sogar ein Kind. Für mich sieht das nach ›happy ending‹ aus.«
Stimmte
das?
Er fühlte
sich überfordert. Zum ersten Mal, seit er mit Ellen zusammen war, fühlte er sich
überfordert. Konnte sie ausgerechnet von ihm erwarten, dass er ihr half, ihr Seelenleben
zu sortieren? »Ellen, was siehst du in mir? Was erwartest du von mir?«
»Wie, was
ich in dir sehe
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