Bei Tränen Mord: Roman (German Edition)
meine Rebellenschwester, Seelentrösterin, Beste von allen. Sie hört an so einem
kurzen Satz, dass ich mich nicht wohlfühle! Mir schießen Tränen in die Augen. Ach,
du blöde Heulsuse, du gewinnst am Schluss doch immer, oder?
›Lass es
raus, es tut soo gut!‹
›Pff‹, kann
Lady Tough da nur brummeln.
»Kat, ich
fühle mich richtig mies.«
»Willst
du zu mir kommen? Du hast ja auch noch den Pick-up.«
»Geht nicht,
ich habe eine halbe Flasche Prosecco getrunken.«
Kat stöhnt.
»Sis, du solltest dir abgewöhnen, so was zur Entspannung zu trinken. Tja, was machen
wir denn da? Susa kommt erst morgen wieder. Ich schätze, dann müssen wir uns am
Telefon aussprechen. Schieß los.«
In einem
hemmungslosen Anfall von Selbstmitleid erzähle ich ihr erst einmal, was heute Morgen
in Altforweiler passiert ist, von Frank, der mich und Maurice im Büro verhört hat,
dann von Frau Crumpf-Saitenstecher und schließlich von den Kontrollanrufen unserer
Familie.
»Oh je,
was für eine geballte Ladung. Aber sag mal, das in Altforweiler war eindeutig ein
normaler Autounfall. Also, es kann mir keiner weismachen, dass das nach einem Mordversuch
aussieht.«
»Meinst
du wirklich?«
»Klar! Du
hattest nicht vor, dorthin zu laufen. Außerdem konntest du nicht ahnen, dass diese
Tussi aus Düsseldorf ausgerechnet heute in dem Kaff sein würde. Was die wohl dort
gewollt hat?«
Kat hat
recht. Aber dennoch … »Weißt du, diese unglaublichen Zufälle häufen sich so in letzter
Zeit. Ich … ich bin mir inzwischen nicht mehr sicher, ob ich nicht doch was geplant
habe. Die dunkle Seite in mir oder so.« Ich schlucke trocken. Es tut gut, diese
Angst auszusprechen. »Weißt du, ob es in unserer Verwandtschaft irgendwie geistig
kranke Menschen gibt oder gab?«
Kat lacht
schallend auf. »Nee, das weiß ich nicht, aber mal ganz im Ernst, jetzt drehst du
ein bisschen am Rad, Schwesterlein.«
Dass sie
so spontan über meinen Gedanken lachen kann, beruhigt mich ein bisschen. »Meinst
du?«
»Ja-ha!
In deinem Oberstübchen ist alles in Ordnung, lass dich mal nicht ins Bockshorn jagen.
Doof, dass ich nicht zu dir kommen kann. Ich würde dir diese irren Ideen aus dem
Kopf schlagen.«
Ich schniefe.
»Ich habe schon an mir gezweifelt. Na ja, und unsere Lieben machen es mir nicht
gerade leichter. Die stellen mich ja manchmal als grenzdebil hin.« Ich ahme die
Stimme meines Vaters nach: »Meine Tochter als Callcentertelefonistin …« Dann in
einem gestochen scharfen Hochdeutsch mit überkandidelt heller Stimme: »Sie wirft
ihr Leben einfach weg, dabei hatte sie alle Chancen!« Und schließlich noch meine
Juristengeschwister. Rouwen parodiere ich mit dem seltsam gepressten Ton, den er
an den Tag legt, wenn er glaubt, dass er gerade ganz besonders wichtig ist: »Zuerst
für das falsche Studium entschieden – und dann noch abgebrochen.« Und zu guter Letzt
äffe ich A-Mi nach, der ich in Wahrheit eine gehörige Portion Neid auf mein chaotisches,
aber vergleichsweise freies Leben unterstelle: »Nein, mit diesem Menschenschlag
würde ich mich ja nicht abplagen wollen.«
Kat lacht
schallend. »Du könntest als Comedian dein Geld verdienen, weißt du?« Dann wird sie
plötzlich ernst. »Sag mal, gibt es inzwischen irgendwelche Ergebnisse? Wie ist denn
der Stand der Ermittlungen?«
»Pff, keine
Ahnung. Ich glaube, die tappen noch im Dunkeln. Das heißt, immerhin ist geklärt,
dass der Kunze auf der Rolltreppe wirklich verunglückt ist. Er hat mich sogar entlastet,
indem er sagte, dass ich freundlich zu ihm war.« Ich kichere. Was der unter freundlich
versteht …
»Und Malermeister
Müller und Harko Schaaf? Was ist mit denen?«
»Da ist
es wohl noch nicht endgültig geklärt. Beim Malermeister lässt sich offenbar nicht
nachweisen, ob jemand am Tatort war, der ihn vom Gerüst geschubst haben könnte.
Es war kein Zeuge aufzutreiben. Die Sache mit Harko Schaaf ist ja mitten in der
Altstadt passiert, und seine Frau schwört Stein und Bein, dass sie jemanden gesehen
hat, der oder die ihn vor das Auto gestoßen hat. Doof ist, dass ich zur fraglichen
Zeit in der Nähe war. Na ja, und der Fall Mark Friskeel stinkt natürlich zum Himmel.
Die haben haufenweise Fingerabdrücke dort oben gefunden, auch meine. Es gibt außer
mir noch eine Tatverdächtige. Mehr weiß ich leider nicht.«
»Hmm«, macht
Kat, »dann sieht es doch gar nicht so übel für dich aus.«
»Na ja,
und gestern ist noch die Sache mit Frau Schnatterbeck in Riegelsberg passiert
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