Bei Tränen Mord: Roman (German Edition)
…«
»Was? Davon
weiß ich ja gar nichts. Warum hast du mir heute Morgen nichts erzählt?«
Mein Magen
zieht sich zusammen. »Ich bin ihr in den Weg gelaufen, weshalb sie mit ihrem Fahrrad
ausweichen musste und einen Unfall hatte. Sie ist aber mit Prellungen und ein paar
Schürfwunden davongekommen.«
»Ermittelt
Frank Kraus in der Sache auch gegen dich?«
»Nein, es
wurden keine Ermittlungen eingeleitet.«
»Na also
…«
»Ich werde
drei große Kreuze schlagen, wenn endlich kein Unfall mehr in meiner Nähe passiert.
Ich halte das echt nicht länger aus.«
Kat kichert.
»Na, ich würde sagen, wenn diese Krampf… – wie heißt sie?«
»Crumpf-Saitenstecher.«
»Also, wenn
der in den nächsten Tagen nichts passiert, bist du aus dem Schneider.«
Ich seufze.
»Dein Wort in Gottes Gehörgang! Vielleicht sollte ich mich hier einsperren. Wenn
dann wieder ein Mord oder ein merkwürdiger Unfall geschieht, weiß alle Welt, dass
ich nichts damit zu tun habe. – Vor allem weiß ich es dann selbst«, füge ich kleinlaut
hinzu.
»Ach, Schwesterlein,
lass dich knuddeln! Morgen komme ich mit Susa vorbei, dann holen wir den Pick-up.
Wann siehst du denn deinen Kommissar wieder?«
Ich lasse
sehnsuchtsvoll die Luft entweichen. »Das weiß ich nicht. Ich glaube, er hat dieses
Wochenende frei.«
»Müssen
die nicht immer ermitteln, wenn ein Mord passiert?«
»Kann schon
sein. Weißt du, dass ich richtig in ihn verschossen bin?«
»Ja, hab
ich gemerkt. Vielleicht geht ja was, wenn all dieser Mist überstanden ist.«
»Ach, das
wäre zu schön!«
Wir beenden
das Gespräch, mir geht es deutlich besser. Kats Meinung hat mir einfach gutgetan.
Sicher hat sie recht. Mit mir ist alles in Ordnung.
Den Rest
des Tages verbringe ich faul auf der Couch lesend, erhole mich von meinem Fressanfall
und träume von dem Traumtyp, der zufällig Kommissar bei der Saarlouiser Kriminalpolizei
ist. Die Gedanken an meine Familie, ihre Einmischungen, an die diversen Mord- oder
Unfallopfer und an meine eigene Rolle in deren Schicksal, an meine Manolos, die
hoffentlich gut verarztet werden, und an meine vermutete schizoide Störung verblassen
zu einem kaum hörbaren Hintergrundrauschen. Ausnahmsweise gehe ich früh schlafen.
Denkste! Zur Abwechslung klingelt
erneut das Telefon. Ich brauche eine ganze Weile, bis ich aus den Tiefen meiner
Traumwelt aufgetaucht bin, das Geräusch entschlüsselt habe und leise fluchend die
Treppe hinuntertappe, wo das Telefon einfach nicht still sein will. Den Anrufbeantworter
habe ich so eingestellt, dass er erst nach dem zehnten Läuten anspringt. Manchmal
ärgere ich mich darüber, aber oft hat mir das die nötige Zeit verschafft, rechtzeitig
ranzugehen. Ich bin noch nicht ganz unten, da springt der Anrufbeantworter an.
»Hallo,
dies ist der Anschluss von Lucy Schober. Bitte piepen Sie doch nach dem Signal …
Ach was, pfeifen Sie nach dem Piep … Kicher … Sprechen Sie nach dem Pups. Also,
wenn Sie eine Nachricht hinterlassen, rufe ich gerne …«
Endlich
bin ich unten, halte den Hörer ans Ohr und melde mich mit einem ziemlich verschlafenen:
»Hallo?«
»Lucy?«
All meine
Synapsen schalten auf hellwach. Bloß meine Gedanken kommen nicht so schnell nach.
Diese Stimme …? »Frank«, hauche ich.
»Hast du
schon geschlafen?«
Ich schaue
auf die kleine Nostalgie-Uhr auf dem Sideboard. Gerade mal halb zehn. Zugeben oder
nicht zugeben? Ach, was soll’s. Er ist ›the one and only‹, und wenn ich ihn zum
Liebhaber will, kann ich ihm von Anfang an die Wahrheit sagen.
›Liebhaber?‹,
fragt Heulsuse nach.
›Was sonst?‹,
erklärt Lady Tough.
»Ja, ich
hatte mich schon hingelegt.«
»Ach, dann
entschuldige bitte! Ich hätte nicht anrufen sollen.«
Meine Synapsen
feiern ein Fest, und endlich ist mein Hirn voll da. Ich glaube, aus seiner Stimme
eine leise Sehnsucht herauszuhören. »Das macht nichts. Du kannst mich jederzeit
anrufen …«
Er lacht
leise. Mmmmm. Wie lange habe ich auf solche Anwandlungen gewartet? Mein Leben war
karg und öde in den letzten Monaten.
»Ich wollte
fragen, ob ich kurz kommen kann.«
›Kurz? Lieber
schön lang‹, flüstert lüstern Lady Tough.
Mein wahres
Ich ist natürlich viel zu bieder, um so etwas laut auszusprechen. Jedenfalls zu
diesem Zeitpunkt.
»Natürlich
kannst du kommen. Ich zieh mir rasch was an.«
In meinem
Unterleib kribbelt es. Mit meiner Äußerung könnte ich den Eindruck erwecken, dass
ich nackt geschlafen habe. Für eine Sekunde blitzt die
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