Bei Tränen Mord: Roman (German Edition)
nicht standesgemäß für die Arzt-
und Apothekerinnentochter. Boah! Meine Eltern leben wirklich noch im Mittelalter.
Aber ohne mich!
»Macht euch
mal keine Sorgen um mich. Ich gehe morgen brav zur Arbeit. Und Gesprächsbedarf über
meine Privatangelegenheiten habe ich keinen.«
In meinem
Unterleib rumort es aufs Neue. Jetzt aber schnellstens aufs Klo! »Muss schnell mal.
Tschüss, Mom !« Den kleinen Seitenhieb kann ich mir nicht verkneifen. Sie
hasst die amerikanische Abkürzung für Mutter. Lege so schnell wie möglich auf und
stürze ins Bad.
Es sind vielleicht zehn Minuten
vergangen. Zehn Minuten, in denen ich die Eispackung im Mülleimer versenkt, angewidert
die Erdnussbutter zurück in den Schrank gestellt, die Cornflakes der Einfachheit
halber der Eispackung folgen lassen habe und mich anschließend auf meinen Sessel
gefläzt habe. Nun schenke ich mir einen Prosecco ohne Aperol ein und tue mich an
den Madeleines gütlich. Die sind fast so gut wie neu. Da klingelt das Telefon schon
wieder. »Hallo?«
»Hier Rouwen,
hallo Schwesterherzchen.«
Haha, wie
originell! ›Herzchen‹ hat so was Diffamierendes, finde ich. Da kann er so herrlich
seine gesamte Missachtung mir gegenüber hineinlegen. Das kriegt er natürlich postwendend
zurück. »Hallo, Winkeladvokätchen!«
Er lacht.
»Eins zu null. Na, wie geht es uns so?«
Mir ist
sofort klar, dass er mit meiner Mutter telefoniert hat. »Wie es dir geht, weiß ich
nicht, aber mir geht es im wahrsten Sinne des Wortes be-schiss-en.« Warum ich das
überhaupt zugebe, weiß ich nicht. Vielleicht, um das Fäkalwort benutzen zu können.
»So, so
… Und woran liegt das?«
»Am Scheißen«,
blaffe ich und unterbreche mich. Wie tief kann man eigentlich sinken? Ich spüre,
wie mir die Hitze in die Wangen schießt. Das ist wieder mal ganz typisch für mich.
Erst große Fresse riskieren, dann sofort einknicken. Die Zwillinge in mir nicken
wissend.
»Also, mir
ist ein wenig übel«, erkläre ich kleinlaut.
»Sag mal,
Lucy …«
Sogleich
läuten die Alarmglocken in meinem Kopf von Neuem los. Wenn mein Bruder meinen Namen
abkürzt, ist was im Busch, dann will er mich gnädig stimmen.
»Ich wollte
dich die ganzen letzten Tage schon anrufen und fragen, was es eigentlich in dieser
Ermittlungsgeschichte gegeben hat?«
Ich stelle
mich dumm, das ist immer am besten. »Welche Ermittlungsgeschichte denn?«
»Na, diese
ungeklärten Todesfälle, in deren Zusammenhang Kommissar Kraus uns befragt hat.«
Immerhin
fragt er mich nicht nach meiner amourösen Beziehung zu Frank! »Nichts, warum fragst
du?« Ich muss versuchen herauszufinden, inwieweit er überhaupt Bescheid weiß. Darf
ein Rechtsanwalt bei der Polizei Informationen über laufende Ermittlungen einholen?
»Ich habe
mich über diesen Kommissar informiert. Also, über sein Privatleben.«
»Darfst
du das?«
Er lacht.
»Alles, was im Internet veröffentlicht ist, darf ich mir selbstverständlich als
Infoquelle zunutze machen. Seine Frau …«, er betont das Wort und macht eine Kunstpause,
doch schließlich wird ihm wohl klar, dass unsere Mutter diese Katze bereits aus
dem Sack gelassen hat. »Sie ist in einem dieser Foren aktiv. Dort hat sie Hochzeitsbilder
hochgeladen, praktischerweise für die gesamte Community einsehbar und mit Datum
und Namen versehen.«
Ups! Ob
Frank davon weiß?
Rouwen spricht
unbeirrt weiter. »Sie hat auch ein Ultraschallbild hochgeladen, kürzlich erst.«
Dass Frank
mit einer so dummen Person verheiratet ist, hätte ich allerdings nicht für möglich
gehalten. Wer stellt denn solche Fotos für jeden sichtbar ins Internet?
»Das Kind
ist nicht von Frank«, rutscht es mir heraus. Mist! Dreimal Mist!
»Ahaaa«,
zieht mein Bruder seine Interjektion unnötig in die Länge.
Ja, ja,
ich weiß selbst, dass ich mich gerade verraten habe.
»Dann hat
mich mein Gefühl nicht getrogen. Du hast was mit diesem Kommissar.«
Puh! Als
ob ich nicht schon genug an der Backe hätte. Da brauche ich wirklich nicht auch
noch einen Anstandswauwau, der mir sagt, mit wem ich ins Bett darf und mit wem nicht.
›Ins Bett?‹,
fragt die lüsterne kleine Lady Tough nach.
›Ins Bett?‹,
meldet sich auch die Heulsuse, und sie klingt keineswegs traurig dabei. Entschlossen
verbiete ich ihnen die imaginären Münder.
»Rouwen,
das geht dich gar nichts an. Lasst mich doch bitte mit eurem Hinterherspionieren
in Ruhe!«
»Du weißt
aber schon, dass du schrecklich unerwachsen bist?«
Un-erwachsen.
Mannomann, was
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