Bei Tränen Mord: Roman (German Edition)
für ein Wort!
»Aber du!«,
keife ich. Der Herr Rechtsanwalt war nie ein Kind. Der kam schon als Erwachsener
zur Welt. Der kann gar nicht mitreden. Jemand, der nie auch nur die geringste Dummheit
in jugendlichem Überschwang begangen hat, soll sich seine Ratschläge mal schön sparen.
»Hör zu,
wir meinen es alle …«
»… nur gut.
Schon klar! Rouwen, weißt du was? Mir geht es gerade ziemlich scheiße, und daran
ist einzig und allein eine Magenverstimmung schuld. Ich kann jetzt nicht noch deinen
Oberlehrerton ertragen. Wenn du mich bitte entschuldigen würdest, ich muss nämlich
mal kotzen.« Damit lege ich auf und husche ins Bad, allerdings nicht um zu tun,
was ich angekündigt habe. Falscher Alarm.
Zehn Minuten später habe ich die
leere Aperolflasche zum Altglas unter die Spüle geräumt, die Sektflasche mit einem
speziellen Korken verschlossen und kaltgestellt, und die leere Verpackung dieser
gammeligen Madeleines in den gelben Sack gestopft. Dann fülle ich mir eine Wärmflasche
mit kochend heißem Wasser, nehme ein paar Magentropfen ein und setze mich auf meine
kleine gemütliche Couch, lege die Wärmflasche auf den Bauch, meine kuschelige Fleecedecke
über die Beine und nehme ein gutes Buch über Mozart zur Hand.
Wie schön,
dass ich es endlich schaffe, mich von meinen leicht irren Gedanken abzulenken.
Zu früh
gefreut! Schon klingelt das Telefon wieder. Ächzend beuge ich mich zum Hörer auf
dem Tisch hinüber. »Hallo?«
»Hallo,
kleine Schwester!«
Och nö!
Bleibt mir heute gar nichts erspart? In mir festigt sich der Gedanke, dass meine
Familie ein Komplott gegen mich geschmiedet hat. »A-Mi«, sage ich matt.
»Lucinda,
du weißt, wie ich diese Abkürzung hasse!«
Klar weiß
ich das …
»Wie geht
es dir denn so?«, versucht sie, das Gespräch neutral zu eröffnen.
Soll ich
ihr von meinem inneren Zwiespalt erzählen, meinen Selbstzweifeln, der wachsenden
Überzeugung, eine psychopathische Mörderin zu sein? Und von meiner Zuneigung zu
einem sexy Kriminalkommissar, der zu allem Übel auch noch gegen mich ermittelt?
›Bist du
verrückt?‹, kreischt Lady Tough. ›Doch nicht der Juristin. Die steht sowieso hoch
erhaben über allem. Weißt du nicht mehr, wie sie dich im Blahnik-Laden vorführen
wollte?‹
Meine Manolos
bräuchte sie jetzt wirklich nicht ins Feld zu führen. Ob der Schustermeister sie
wieder hinkriegt? So driften meine Gedanken ab. Bedenklich, oder?
›Doch, vielleicht
ist sie genau die Richtige‹, mischt sich Heulsuse ein, ›sie kann womöglich helfen.‹
›Quatsch,
die hilft uns doch nicht. Die ist höchstens schadenfroh.‹
›Aber sie
ist Juristin und kennt sich aus.‹
»Lucinda?«,
hakt Anna Maria nach.
Ich bringe
die Zwillinge zum Schweigen. »Mir geht es super. Und dir?«
»Mir schon.
Aber von dir habe ich ganz anderes gehört.«
»So?«
»Ja, du
hättest dir den Magen verdorben …«
»Stimmt.
Hab wohl was Falsches gegessen.«
»Hm-hm.«
Was soll
das denn jetzt heißen? »Also, entschuldige mal, wenn ich mir wegen meines dürftigen
Gehalts nicht solch edle Gourmetfreuden leisten kann wie du …« Mist, wieso lasse
ich mich hierzu hinreißen? Es muss an meiner miesen Allgemeinverfassung liegen.
Ich brauche dringend meine Ruhe und meinen Schlaf.
»Nun je,
mit einem Kommissar als Ehemann kann man auch nicht gerade große Sprünge machen.«
Wenn mir
nicht schon übel wäre, dann wäre jetzt der richtige Zeitpunkt, um Bauchschmerzen
zu bekommen. Und mein Heulsusenzwilling hat sogar eine Sekunde in Erwägung gezogen,
mit meiner Juristenschwester offen zu sprechen! Ich schüttle den Kopf.
»A-Mi, wie
du so treffend bemerkt hast, ist mir nicht ganz wohl. Ich möchte jetzt einfach nur
auf der Couch still vor mich hin leiden. Ist das zu viel verlangt?«
»Schon gut.
Ich wollte ja nur …«
»Helfen?
Dass ich nicht lache! Gehab dich wohl, Schwesterherz!« Ich lege auf.
Nein, DAS
muss ich mir wirklich nicht antun. Sie sollen mich endlich allesamt in Ruhe lassen!
Nein, nicht
allesamt.
Von der
ganzen Brut hat mich nur eine Einzige heute noch nicht belämmert. (Meinen Vater
zähle ich als zur Mutter zugehörig – die beiden spielen des Öfteren das Sprachrohr
füreinander.)
Ob sie immer
noch Bauchweh hat, die Arme? Mit einem zärtlichen Gefühl, nunmehr meine einzig wahre
Verbündete zu kontaktieren, wähle ich Kats Nummer.
»Kat Schober?«
»Hallo,
Sis, wie geht es dir?«
»Besser.
Aber sag mal, du hörst dich irgendwie bedrückt an.«
Das ist
sie,
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