Beichte eines Verfuehrers
„Nein? Das ist gut, denn es ist nicht dein Fehler, Sadie.“
„Genauso wenig ist es dein Fehler, dass du einen Ausflug gemacht hast und wir ihn beide mit einem Mann allein gelassen haben, dem Adam scheißegal war.“
Die Härte meiner Worte überraschte Dennis. Er nickte und sein Gesichtsausdruck entspannte sich. „Ja, ich weiß. Trotzdem …“
„Ich weiß.“
„Mich tröstet nur, dass er nun keine Schmerzen mehr hat.“ Diese Plattitüde hatte ich inzwischen mehr als ein Dutzend Mal gehört. „Er ist jetzt frei.“
Auch ich war frei, aber das konnte ich Dennis kaum sagen. Vielleicht hätte er es verstanden. Er umarmte mich zum Abschied, ein großer, starker Mann, der seit Jahren Teil meines Lebens gewesen war. Dieser Abend sollte es leichter machen, und das tat er auch. Aber nicht für mich, sondern für Dennis. Wir fuhren heim. Dennis fühlte sich entlastet, aber mein Schmerz wog nur noch schwerer.
Als ich Mrs. Lapp wiedersah, war es einfacher. Sie nahm mich ohne Umstände in den Arm und wiegte mich minutenlang tröstend. Dann fragte sie mich nach meinen Essgewohnheiten aus, berichtete stolz von ihren Enkelkindern und zeigte mir Fotos von der Reise, die sie letzte Woche mit Samuel unternommen hatte.
„Nächste Woche werden Samuel und ich nach New York fahren“, berichtete sie. „Wir werden uns ein Musical auf dem Broadway anschauen!“
Ich lächelte. „Samuel ist damit einverstanden?“
„Er war noch nie in New York. Es ist eine Busreise mit der Kirche.“
Ich hatte Samuel Lapp oft gesehen, wenn er seine Frau abends abholte. Er war nett, aber sehr still. Meistens trug er ausgebleichte Latzhosen und T-Shirts mit Schottenmustern. Ich konnte mir nicht vorstellen, wie er ein Broadway-Musical besuchte.
„Das klingt schön“, sagte ich.
Eigentlich hatte ich Mrs. Lapp fragen wollen, ob sie zu mir zurückkam, um für mich zu putzen und zu kochen. Aber als ich nun hörte, wie sie von ihren Plänen schwärmte, konnte ich es nicht.
„Ich habe jetzt mehr zu tun als früher“, sagte sie und schob mir einen Teller mit selbst gebackenem Kuchen über den Küchentisch. „Ich habe seit Jahren auf diese Zeit gewartet. Ich hätte schon viel eher in Rente gehen können, aber …“
Sie blickte mich freundlich und ein bisschen betreten an. Ich konzentrierte mich auf den Kuchen, damit ich sie nicht ansehen musste. „Sie haben viel für uns getan, Mrs. Lapp.“
„Es war eine gute Zeit, selbst wenn er unausstehlich war.“
„Ja, er konnte wirklich unausstehlich sein. Aber jetzt haben Sie Zeit für Ihre Reisen. Sie können nach New York fahren oder an jeden anderen Ort, der Sie reizt.“
Sie nickte. „Wissen Sie, Dr. Danning, seien Sie mir nicht böse, wenn ich das jetzt so sage, aber … das können Sie auch.“
Ich wollte antworten, aber stattdessen nahm ich einen Bissen von ihrem Kuchen. Die Unterhaltung drehte sich anschließend nur noch um Fernsehserien, das Wetter und andere sichere Themen. Ich aß drei Stücke von Mrs. Lapps Kuchen und hatte Bauchgrummeln, als ich mich verabschiedete.
„Rufen Sie mich an, wenn Sie reden möchten“, sagte sie, als sie mich an der Haustür verabschiedete.
Ich versprach es ihr. Aber wir wussten beide, dass ich es nicht tun würde.
Katie rief weiterhin an und fragte, ob ich etwas brauchte. Es war wie früher, als wir Kinder waren. Damals brachte sie mir ihr Eis am Stiel, wenn es mir nicht gut ging. Heute waren ihre Geschenke teurer, aber nicht weniger ausgesucht: Wein und Schokolade waren mir ebenso willkommen wie früher ihr geschmolzenes, halb aufgegessenes Eis.
Sie setzte sich mit einem Seufzen auf meine Couch und streifte die Schuhe von den Füßen. Ihre Haare waren kürzer und sie hatte Make-up aufgelegt, und obwohl sie nur eine Trainingshose und ein T-Shirt trug, sah sie schick aus. Außerdem wirkte sie nicht mehr so müde.
„Du hast abgenommen“, sagte ich.
„Und wie!“ Katie grinste. „Ich arbeite wieder in Teilzeit und kann mir jetzt auch wieder das Fitnessstudio leisten. Wenn Lily in der Vorschule ist, nehme ich James dorthin mit. Und während die beiden ihr Mittagsschläfchen halten, arbeite ich.“
Ich streifte meine Schuhe ebenfalls ab. Die Trainingshose, die ich trug, war vielleicht nicht so schick wie Katies. Aber das war nichts Neues. Neu war jedoch, dass es mir nichts ausmachte. Ich zog zwischen Katie und mir keine Vergleiche mehr, bei denen ich eh schlechter abschnitt.
„Schön, dass du vorbeigekommen bist. Ich wollte mir gerade
Weitere Kostenlose Bücher