Beichte eines Verfuehrers
heimkomme und irgendetwas passiert ist. Oder dass ich heimkomme und es Streit gibt, weil ich so lange weggeblieben bin. Und ich schlafe, Katie.“ Die Tränen stiegen mir wieder in die Augen. „Ich schlafe die Nächte durch. Und kein einziges Mal wache ich zwischendurch auf, nie.“
Ihre Hand war wie ein Anker, der mich davor bewahrte, für immer in meiner Trauer zu versinken. Ich griff gierig danach wie eine Ertrinkende.
„Nichts davon bedeutet, dass du ihn nicht geliebt hast, Sadie.“
Es fühlte sich falsch an, obwohl ich ihr glauben wollte. „Er war manchmal so ein Arschloch! Und ich wusste, warum es so war. Er war depressiv und niedergeschlagen, aber dann war er auch wieder so gemein zu mir. Es war, als wäre er ein anderer, nachdem er aus dem Koma aufgewacht war. Da war eine andere Person in seinem Körper. Verstehst du?“
„Es bedeutet nicht, dass du ihn nicht geliebt hast“, wiederholte meine Schwester. „Du hast recht, er konnte ein Arschloch sein. Aber das war er auch manchmal vor dem Unfall.“
Vor jedem anderen hätte ich selbstgerecht die Erinnerung meines Mannes geschützt, aber nicht bei Katie. „Ja, ich weiß. Aber ebenso war er der beste Mann, den ich mir wünschen konnte. Wenn er wollte.“
„Es ist nicht deine Schuld, wenn er es nicht mehr wollte.“ Katie drückte meine Hand.
Ich nickte. Noch immer rannen Tränen über meine Wangen. „Nie hatten wir die Chance, es ein zweites Mal zu versuchen. Ich werde nie herausfinden, ob es geklappt hätte.“
„Ja, ich weiß.“ Sie schob die Pralinenschachtel näher zu mir.
Ich brauchte meine Schwester nicht, damit sie mir die Wahrheit sagte. Aber bis zu diesem Zeitpunkt hatte ich nicht sehen wollen, wie es war. Ihre Worte waren der Spiegel, der mir endlich wieder ein klares Bild von mir zeigte.
„Nur weil ich jetzt wieder allein ins Badezimmer gehen kann und einen normalen BH trage, heißt das nicht, dass ich meine Kinder nicht liebe. Und wenn du dein Leben wieder in die Hand nehmen willst, heißt das ebenso wenig, dass du Adam nicht mehr liebst.“
„Von wem hast du gelernt, so gute Ratschläge zu erteilen?“, fragte ich sie.
Meine Schwester lächelte. „Von meiner großen Schwester.“
Und dann weinten wir – gemeinsam.
Kummer verschwindet irgendwann wie Fieberbläschen. Es tut weh, wenn er geht, und manchmal bleibt eine Narbe zurück, die dich immer daran erinnert, wo der Schmerz gesessen hat. Wenn ich Adam vermisste, hieß das nicht, dass ich ihn mehr liebte, als wenn ich ihn nicht vermisste. Die Zeit würde meine Wunden heilen, und ich musste nichts anderes tun, als es geschehen lassen.
Ich machte einige Versuche, nach vorne zu schauen. Nachdem ich mich im Fitnessstudio angemeldet hatte, kündigte ich auch den DVD-Service und meldete mich stattdessen bei einem Lesezirkel an. Ich füllte meine Tage mit all den Dingen, die ich mir in den Jahren zuvor verwehrt hatte.
Nicht alles machte mir Spaß. Schon bald grauste mir vor dem Fitnessstudio, weil das Workout mir zu anstrengend war. Lesen und das Diskutieren über Bücher forderte mehr Aufmerksamkeit von mir, als es ein Film getan hätte. Trotzdem genoss ich mein neues Leben zum großen Teil und ließ mich nicht von Schuldgefühlen niederdrücken.
Mein Leben war zwar mit Aktivitäten angefüllt, aber ich fühlte mich immer noch leer. Etwas fehlte mir. Es gab etwas, das ich nicht tat, und dieses Fehlen machte sich in meinem Leben bemerkbar. Es war wie ein kleines Loch im Seidenstrumpf, das sich nach und nach vergrößerte.
Ich dachte, dass es vielleicht Adams Zimmer war, das ich nach seinem Tod unverändert beließ. Vielleicht musste ich diese letzten Erinnerungen an ihn aus dem Haus verbannen, um wieder an unsere glücklichen Zeiten vor seinem Unfall denken zu können. Ich stand im Flur, hatte den Türknauf in der Hand und verstand in diesem Moment, was wirklich mein Problem war. Es war nicht diese Tür, auch nicht der Raum, der dahinter lag.
Es war nicht die Tür, die ich verschlossen ließ.
Es war jene Tür, die ich offen gelassen hatte.
18. KAPITEL
Februar
Ich wusste, dass er dort sein würde. Es gab keinen Grund, warum er nicht dort sein sollte, außer vielleicht, dass meine lange Abwesenheit ihn dazu gebracht hatte, seine monatliche Routine aufzugeben. Wie Kröten, die im Frühling an den Tümpel zurückkehrten, an dem sie einst aus den Eiern geschlüpft waren, machten Joe und ich uns an diesem Freitag auf den Weg zur Bank im Atrium.
In der Zwischenzeit hatte man
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