Beichte eines Verfuehrers
Tee bestellt. Beim Essen hat er Wein bestellt. Und jetzt will er Wasser. Aber ich habe überhaupt kein Wasser im Haus und bin verlegen. Doch er sagt, Wasser aus dem Hahn sei auch okay, wenn ich Eiswürfel habe.
Zum Glück habe ich Eis im Gefrierfach. Außerdem noch Limetten und Zitronen. Sie liegen schon seit Ewigkeiten im Kühlschrank und eigentlich gehören sie meiner Mitbewohnerin Susie, aber ich denke, sie wird nichts dagegen haben, wenn ich mich bediene. Ich schneide eine Zitrone und eine Limette klein und Joe nimmt von jeder ein Viertel und lässt sie in sein Wasserglas rutschen. Ich folge seinem Beispiel. Es schmeckt erstaunlich gut. Aber dann beiße ich in die Zitrone, weil ich zu hastig trinke und in meinem Mund zieht sich von der Säure alles zusammen.
Joe lacht. „Zu sauer?“
Ich registriere, wie dicht er neben mir steht. Er riecht genauso gut wie er aussieht. Und Joe sieht wirklich lecker aus, zum Anbeißen. Aber in Wahrheit riecht er besser. Es ist kein Männerduft, den ich kenne oder benennen könnte. Also frage ich ihn.
Joe lacht wieder und stellt das leere Glas auf den Küchentresen. Er lehnt sich dagegen und stellt ein Bein lässig über das andere. Sogar seine Schuhe, die ich jetzt erst sehe, sind schön. Mir fällt auf, dass ich ihn nicht gefragt habe, was er beruflich macht. Eigentlich weiß ich gar nichts über ihn, weil wir die ganze Zeit nur über mich geredet haben.
„Ganz einfach: Wasser und Seife.“
„Du benutzt kein Parfum?“
Joe schüttelt den Kopf und fährt sich mit der Hand durchs Gesicht. „Meine Haut verträgt das nicht.“
Und bevor mir überhaupt bewusst wird, was er macht, hat er meine Hand genommen und streicht mit ihr über seine Wange. Sie fühlt sich weich und warm an, aber ich kann die Bartstoppeln erahnen. Sein Haar hat die Farbe von den Buttercremekuchen, die wir in der Kaffeebar verkaufen. Seine Augenbrauen sind buschig und zugleich perfekt geformt. Die Stoppeln an seinem Kinn kratzen ganz leicht an meiner Handfläche.
„Das wäre nicht schön“, sage ich. „Irritierte Haut, meine ich.“
Ich möchte, dass er mich küsst. Ich möchte es so sehr, dass ich ihm bereits mein Gesicht entgegenhalte. Er ist nicht allzu groß, vielleicht knapp einsachtzig, und ich muss mich nicht mal auf die Zehenspitzen stellen, um seinen Mund zu erreichen.
Er lässt sich von mir küssen. Ich sage, dass er mich lässt, denn er macht keinen Schritt beiseite. Aber ebenso wenig zieht er mich in seine Arme. Ich bin es gewohnt, dass die Typen, mit denen ich herumknutsche, mich gleich an sich ziehen und mir die Zunge so tief in den Hals stecken, bis ich kaum noch Luft bekomme. Aber dieser Kuss ist ganz anders. Süßer. Unsere Münder öffnen sich nicht einmal.
Ich trete zurück. Meine Knie zittern, und ich kann seine Lippen noch auf meinen schmecken. Fast habe ich Angst, dass ich mich jetzt vor ihm total blamiert habe. Aber sein Lächeln zeigt mir das Gegenteil. Er sieht nicht aus, als würde es ihm keinen Spaß machen.
„Brandy“, sagt Joe. „Du bist ein sehr nettes Mädchen.“
Ich seufze und verdrehe die Augen. „Aber …?“ Solche Sprüche kenne ich.
„Es gibt kein Aber.“ Er zuckt mit den Schultern.
„Aber du willst mich nicht küssen, ist es das?“ Ich muss ihn das fragen, selbst wenn seine Antwort mich enttäuschen wird.
Doch er enttäuscht mich nicht. „Weißt du, es gibt viele Stellen, an denen ich dich küssen kann.“
Wow, ist das heiß! Plötzlich wird mir so warm, dass ich mir mit der Hand Luft zufächeln muss. Ich kichere nervös. Joe lächelt und legt seine Hände auf meine Hüften.
„Warum zeigst du mir nicht einfach dein Schlafzimmer?“
Nichts lieber als das! Ich schiebe alle Bedenken beiseite. Ist mir doch egal, wenn er denkt, ich sei leicht herumzukriegen, dann bin ich es eben! Bei Joe ist das was anderes, ich mache das hier ja auch nicht mit jedem Mann. Er nimmt meine Hand und öffnet die Tür zu meinem kleinen, engen Schlafzimmer. Mit seiner direkten Art lässt er mich vergessen, dass ich mir geschworen habe, mich nicht länger angetrunken aufreißen zu lassen oder mit Freunden zu schlafen, nur weil es gerade passt.
Im Moment bin ich nur froh, dass ich vorhin aufgeräumt und saubergemacht habe. Damals musste ich das kleinere Schlafzimmer nehmen, weil Susie zuerst die Miete gezahlt hat. Das Bett nimmt den meisten Raum ein, es gibt kaum Platz, um an den Seiten vorbeizugehen. Aber wir sind nicht hier, um zu tanzen. Wir brauchen nichts weiter
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