Beichte eines Verfuehrers
was ich ihm geben konnte außer meinem Mitgefühl. Und fast schien es, als hätte ich nicht einmal davon genug.
12. KAPITEL
August
Diesen Monat heiße ich wieder Priscilla. Joe und ich haben uns regelmäßig getroffen, ungefähr ein- bis zweimal die Woche. Wir sind ins Kino gegangen, zum Essen oder zu einem Konzert. Joe hat vorgeschlagen, dass wir heute zum Renaissancemarkt gehen können. Ich war einverstanden, weil ich verstehe, dass man bereit sein muss, auch mal Dinge zu tun, die man nicht so gerne macht, wenn man etwas wirklich will.
Am Einlass werden wir von einem Mann im Kilt und einem großen Schwert auf dem Rücken begrüßt. Mit schottischem Akzent fragt er mich nach meinem Namen und nennt mich „Lady Priscilla“, ehe er mir einen Handkuss gibt. Ich blicke Joe aus dem Augenwinkel an, wie er auf diesen plumpen Flirtversuch reagiert, aber er grinst nur und scheint sich nicht zu ärgern, obwohl mir ein anderer Mann gerade die Hand abgeleckt hat.
Eine Frau mit einer tief ausgeschnittenen Bluse aus grobem Stoff steckt eine Blume in die Brusttasche von Joes Hemd. Unter der Bluse trägt sie ein Korsett, das ihre Brüste zu Fleischbergen zusammenpresst, die einem direkt ins Auge springen. Sie flirtet ebenfalls mit ihm, fragt nach seinem Namen und bietet ihm ihre „Dienstleistungen“ an. Eine Rothaarige, die einen Wäschekorb unter dem Arm trägt, stellt sich ihm als die „sauberste Maid in der Grafschaft“ vor. Eine Dritte, diesmal brünett, gesellt sich zu den anderen beiden, und zusammen stolzieren sie einher und necken Joe, bis er lacht. Aber er flirtet nicht zurück. Es sieht aus, als würde er die Aufmerksamkeit genießen, die ihm die drei drallen Frauen zukommen lassen. Aber obwohl ich weiß, dass ich ihm keinen Vorwurf machen kann, ärgere ich mich trotzdem, dass er mir nicht mehr Aufmerksamkeit schenkt.
Trompeten schmettern und kündigen Königin Elisabeth an, deren Ankunft alle Anwesenden in Ekstase versetzt. Sie lassen uns in Ruhe und werfen sich vor der Prozession Ihrer Majestät auf den Boden.
Joe grinst und kreuzt die Arme vor der Brust. Ich trage eine Sonnenbrille, aber Joe blinzelt. Wenn er nicht aufpasst, wird er schon bald Krähenfüße bekommen. Nun gut, Männer können darüber hinwegsehen, oder?
Die Königin wirft Süßigkeiten für die Kinder in die Menge und die Schauspieler schließen sich rufend und brüllend ihrem Zug an. Die Waschweiber bewegen sich inzwischen durch die Menge und quatschen andere Leute an. Ich lege auch keinen Wert darauf, dass sie zu uns zurückkommen.
Joe beachtet mich nicht, also hake ich mich mit einer Hand bei ihm unter, bis er die Arme herunternimmt. Dann nehme ich seine Hand und unsere Finger verflechten sich. Er scheint einen winzigen Moment zu zögern, und ich kann ein triumphierendes Lächeln nicht unterdrücken, als er meine Hand nimmt.
Dies ist unser zehntes Date und ich möchte noch viele Dates mit ihm verbringen. Wenn ich ehrlich bin, beabsichtige ich sogar, Joe vor Ablauf dieses Tages davon zu überzeugen, dass wir ein Paar werden müssen.
„Möchtest du hineinschauen?“ Joe dreht sich zu mir um und weist auf das Tor, durch das inzwischen der größte Teil der Menge verschwunden ist. „Wir können uns dort etwas zu essen holen.“
Ich nicke. Ich gebe ihm, was er will – damit ich später das bekomme, was ich will. Und ich will ihn. Bisher ist Joe durch und durch ein Gentleman gewesen, und das schätze ich an ihm. Aber es ist Zeit für den nächsten Schritt. Männer wollen Sex, und obwohl Joe mich bisher nie unter Druck gesetzt hat, ist es jetzt so weit.
Er führt mich durch das Tor und in der Halle dahinter sieht alles aus wie eine Stadt zu Zeiten der Renaissance mit Läden, kleinen Wegen, Spielen und Buden. Auf den ersten Blick ist es schwer zu sagen, wer die Schauspieler sind und wer nicht, da sich viele Besucher ebenfalls verkleidet haben und sogar mit Akzent sprechen. Einige tragen aufwendig geschneiderte Roben, andere haben ihr Outfit offenbar wahllos in einem Secondhandladen zusammengestellt. Das ist kreativ, sieht aber schlampig aus. Ich bin froh, dass ich mich nicht verkleidet habe, denn in meinen Capri-Jeans und dem weißen Top fühle ich mich ziemlich wohl. Und ich bin noch glücklicher, dass Joe sich nicht verkleidet hat.
„Worauf hast du Appetit?“ Joe hält noch immer meine Hand und blickt sich erwartungsvoll um.
Ich lasse meinen Blick die Gasse mit den Buden entlangstreifen und entdecke nur Verkäufer, die ihre
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