Beichte eines Verfuehrers
Umgebung war. Wir würden wieder dieses herrlich prickelnde Gefühl haben, nur für uns da zu sein. Wir würden unser Privatleben zurückerobern.
Die Ärzte versicherten uns, dass sich zwar unser Leben grundlegend geändert hatte, aber dass es nicht völlig zerstört war. Adams Aussichten waren exzellent. Es gab nichts, was dagegen sprach, nach seiner Heilung wieder zu arbeiten oder sogar Sex zu haben – ja, wir glaubten, er würde wieder ein Mensch sein und nicht länger ein Patient.
Als ich unser Schlafzimmer den Bauarbeitern überließ, weinte ich. Schließlich hatte ich es selbst eingerichtet und mochte es so sehr. Ich weinte auch, als die Bauarbeiter unser Badezimmer umbauten und abends weinte ich mich in den Schlaf, während ich allein in unserem Bett lag und an die fremde Decke starrte.
Als Adam heimkam, weinte ich allerdings nicht mehr. Jetzt war ich wieder die Superehefrau. Ich musste alles für ihn machen. Es war ein Beruf, eine Pflicht – eine Rolle, die ich spielte – und ich machte es, ohne je zu klagen.
Wir kannten jene „Babymüdigkeit“ nicht, von der Katie uns erzählt hatte – das Gefühl ständiger Übermüdung, wenn man zu wenig Schlaf bekommt. Adam war kein Baby, aber er brauchte mindestens genauso viel Pflege. Er musste alle zwei Stunden umgebettet werden, um Druckstellen vorzubeugen. Unser Geld reichte weder für ein Spezialbett noch für einen Nachtpfleger. Ich musste mir den Wecker stellen und mich um ihn kümmern. Jede Nacht, bis ich schließlich nicht mehr wusste, ob ich wach war oder schlief, stand ich auf und taumelte zu seinem Bett, um ihn zu versorgen. Mir schmerzte jeder Muskel, aber ich sprach nicht darüber, als verginge der Schmerz, wenn ich ihn leugnete. Adam konnte nichts fühlen …
Außerdem brauchte Adam beständig meine Aufmerksamkeit. Er konnte nichts alleine machen. Erst nach der Entschädigungszahlung konnten wir die Ausrüstung kaufen, die er mit der Stimme oder einfach mit dem Mund steuerte. Endlich gewann er seine Unabhängigkeit zurück. Ich musste nicht länger neben ihm sitzen, ich konnte für mich essen, lesen, konnte ins Badezimmer gehen, ohne gleich von ihm gerufen zu werden.
Zwei Jahre hatten wir gemeinsam gekämpft, denn das Ausmaß seiner Verletzung machte alles andere als einen Kampf unmöglich. Aber wir hatten es geschafft, wir hatten hart gearbeitet und er hatte so große Fortschritte gemacht, dass es schwer zu glauben war, dass er nicht eines Tages wieder aufstehen und gehen könnte. Als die Entschädigung von der Skifirma kam, konnten wir Mrs. Lapp und Dennis engagieren, um mich ein wenig zu entlasten. Ich konnte wieder zur Arbeit gehen und wir glaubten beide, dass unser Leben mit Adams neu gewonnener Unabhängigkeit einfacher werden würde. Doch dies war der Zeitpunkt, als Adam begann, sich zu verändern. Umgeben von Maschinen und Geräten, die es ihm ermöglichten zu lesen und fernzusehen, mit seinem Rollstuhl umherzufahren und ans Telefon zu gehen, zog Adam sich plötzlich zurück. Je mehr er machen konnte, umso mehr wurde ihm bewusst, wie viel er nicht tun konnte. Und dann begann der Ärger.
Vier Jahre nach dem Unfall hatte ich mehr Empathie für meine Patienten gewonnen als je zuvor. Ich verstand den Wunsch nach Vergessen, der so viele Menschen zu Drogen und Alkohol trieb. Ich verstand Affären. Der Wunsch nach Berührungen konnte die Ratio ausschalten, die Sehnsucht nach Leidenschaft konnte alles andere vergessen machen.
Ich wollte das gar nicht wissen.
„Gottverdammt, Sadie“, sagte Adam, als ich ihm einen Teller mit Mrs. Lapps guter Gemüsesuppe brachte. „Ich bin hungrig. Ich will das nicht.“
Ich ließ mich von ihm nicht reizen. „Die habe ich dir gemacht. Wenn du danach immer noch hungrig bist, kann ich dir noch etwas anderes machen.“
„Ich will keine verdammte Suppe!“
„Dann hättest du mir sagen sollen, was du willst, als ich dich gefragt habe.“ Ich versuchte, meine Stimme ruhig zu halten.
„Du weißt, dass ich keine Suppe mag“, sagte er mit zusammengebissenen Zähnen.
Während ich ihm die Serviette und den Löffel hinlegte, hielt ich inne. „Seit wann?“
„Jesus, Sadie.“ Adams Stimme troff vor Sarkasmus. „Schon immer.“
Er war nicht ehrlich zu mir, im Gegenteil, er versuchte mich in einen Streit zu verwickeln. Unverwandt blickte ich ihn an, während ich die Suppe umrührte, damit sie sich ein wenig abkühlte. Ich setzte mich auf den Stuhl und wartete.
„Ich will sie nicht.“
„Adam, du musst
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