Beichte eines Verfuehrers
ihr an der Haustür einen schönen Tag und komplimentierte sie hinaus. Erst als ich die Tür hinter ihr schloss, wurde ihr Redefluss unterbrochen.
Ich wollte nicht unfreundlich sein, aber sie hatte Adam mit ihrem Gerede in eine schlechte Stimmung versetzt. Ein wacher Geist, der in einem reglosen Körper gefangen ist, führte früher oder später zu einer Aggression, die er gegen sich selbst richtete. Er konnte nicht mit den Fäusten seine Wut herauslassen, also tat er es mit Worten.
Ich hörte ihn fluchen, bevor ich das Zimmer wieder betreten wollte und zögerte, aber dann fühlte ich mich wie ein Feigling. Dennis’ Dienst begann erst in ein paar Stunden, ich musste jetzt für ihn da sein. Also hatte ich keine Wahl. Adam brauchte mich, und wenn es uns beiden auch nicht gefiel, es war so.
Als wenn er mich draußen vor der Tür gehört hätte, hörte sein Murmeln plötzlich auf. Ich trat ein. Sein Gesicht hatte er von mir fortgedreht und er starrte angestrengt aus dem Fenster. Das Sonnenlicht fiel auf seine Wangen.
„Die soll jedenfalls nicht noch einmal kommen“, sagte er.
„Ich kümmere mich darum.“
„Ich bin kein verdammter Idiot.“
„Das weiß ich.“ In Momenten wie diesem wusste ich nie, wie ich mich ihm gegenüber verhalten sollte. Früher hatte ich das Zimmer verlassen, aber jetzt konnte ich ihn nicht alleine lassen. Selbst wenn ich wegging, würde er mich in wenigen Minuten zurückrufen, damit ich ihm bei irgendetwas half. Manchmal machte er das absichtlich.
„Hast du Hunger?“
Immer noch verärgert grummelte er vor sich hin. Ich nahm es für ein Ja.
„Möchtest du etwas Bestimmtes?“
Erneut grummelte er. Ich bedrängte ihn nicht, sondern versicherte mich, dass die Gegensprechanlage funktionierte und befestigte den Empfänger an meiner Hosentasche, bevor ich nach unten ging, um Essen zu machen.
Ehen scheitern immer wieder an kleineren Zerrüttungen als der unerwarteten Behinderung eines Partners. Es bedarf Arbeit und Kompromisse, um sogar eine ungeprüfte Ehe stark zu erhalten. Und unsere Ehe hatte ohnehin genug auszuhalten.
Nach Adams Unfall arbeitete ich halbtags als junge Therapeutin in einem Gesundheitszentrum der Universität, bis ich meine Lizenz bekam. Die Bezahlung war mies, aber die Arbeitszeiten erlaubten es mir, die meisten Stunden des Tages bei Adam im Krankenhaus zu sein. Als er aus dem Koma erwachte, hatte Adam die Nachricht von seiner Verletzung ohne mit der Wimper zu zucken hingenommen. Er war in die Reha verbissen, weil er gesund werden wollte – weil er wieder funktionieren wollte. Ich glaube, er war allen anderslautenden Meinungen zum Trotz entschlossen, wieder laufen zu lernen.
Nach einiger Zeit bekam Adam Physiotherapie und ich hatte wieder etwas mehr Zeit für mich. Die wenigen Stunden daheim waren für mich eine Zuflucht, fort von dem Geruch nach Antiseptika und menschlichem Abfall. Ein ruhiger Platz, wo ich so laut heulen und schreien konnte, wo ich nicht so tun musste, als wäre ich tapfer. Zu Hause brach ich zusammen, ich verbrachte Stunden damit, in unseren Fotoalben zu blättern oder einfach ein Essen für mich zuzubereiten, das nicht nach dem Essen der Krankenhausküche schmeckte. Ich beschützte diese seltenen Stunden daheim eifersüchtig, weil sie das Einzige waren, was mich davor bewahrte, vollends durchzudrehen.
Wir hatten eine gute Versicherung und bekamen eine Beihilfe gewährt, aber trotzdem dauerte es über zwei Jahre, bis wir von der Firma, die jene fehlerhafte Skibindung zu verantworten hatte, eine Entschädigung gezahlt bekamen. Es reichte gerade, damit wir eine Hilfe bezahlen konnten, die ein paar Stunden am Tag kam, während ich in der Schule oder bei der Arbeit war. Doch der Großteil der Pflege blieb an mir hängen. Im Krankenhaus war ich seine Stimme gewesen, wenn er nicht die Kraft hatte zu sprechen. Ich war die Bettdecke, die ihn vor einer Erkältung schützte, ich war seine Krankenschwester, sein Mädchen, seine Anwältin, seine Tür und sein Fenster zur Welt. Und heute war ich die Wand, gegen die er seine Wut und seine Frustration warf und zugleich waren meine Hände seine Hände, wenn er etwas warf.
Damals dachte ich, dass ich so weit wäre, dass er heimkommen konnte. Wir hatten von nichts anderem mehr gesprochen, sobald er wieder sprechen konnte. Darüber, wie es sein würde, wenn er endlich daheim war. Darüber, wie wir uns alles einrichten wollten und dass es für ihn und mich viel besser sein würde, sobald er in der gewohnten
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