Beifang
wieder eine von diesen furchtbaren Ausschusssitzungen, es ging um den Landschaftsplan für die Blau …«
Berndorf betrachtete seinen Teller und den schrumpeligen angekokelten Teig darauf, der mit teils weißlichen, teils rötlichen Teilchen unidentifizierbarer Substanz belegt war. »Es ist sehr schmackhaft«, lobte er, und Lena Veesendonk fuhr fort, von den Diskussionen über die Anlage eines Uferparks entlang der Blau zu berichten. Sie gehörte dem Gemeinderat an, und zwar für eine Wählergemeinschaft, die sich - soweit es Berndorf verstand - für eine ökologisch ausgerichtete Entwicklungsplanung, für den Bau neuer Ortsverbindungsstraßen sowie für niedrigere Kommunalsteuern einsetzte.
»Sie müssen wissen, da entsteht zu beiden Seiten der Blau ein richtiger Uferpark«, erklärte sie dem Gast, »nicht nur ein Naherholungsgebiet, sondern eine grüne Lunge für das ganze Tal...«
»Sehen das die Anlieger auch so?«, fragte ihr Mann.
»Welche Anlieger?«
»Die Leute, denen jetzt noch die Gärten gehören, aus denen unser Bürgermeister diesen Uferpark machen will.«
»Ich bitte dich! Das wertet doch deren Grundstücke auf, das müssen die einfach einsehen.«
»Da wollen wir hoffen, dass die Leute das Müssen auch einsehen«, sagte ihr Mann und nahm noch etwas von dem Feldsalat. Dann wandte er sich an seinen Sohn. »Wie ist es dir bei
der Mathematik-Klausur ergangen? Die war doch für heute angesetzt.«
Als Antwort kam ein undeutliches Murmeln.
»Wie war das?«, setzte Veesendonk nach.
»Ihm war nicht gut«, schaltete sich Lena Veesendonk ein. »Er ist in der großen Pause gegangen. Diese Magenkrämpfe, weißt du... seit dem Ärger mit seinem Führerschein ist das wieder schlimmer geworden.«
»Dann bist du also mit ihm zum Arzt?«
»Nein, sind wir nicht«, kam die Antwort, bereits ein wenig gereizt. »Dieser Doktor kann auch nichts anderes als eine Magenspiegelung vorschlagen, und du weißt so gut wie ich, dass Donatus so etwas auf keinen Fall erträgt...«
»Diese Mathematik-Klausur«, sagte Veesendonk, »war doch ziemlich die letzte Chance, von der Fünf runterzukommen?«
»Das stimmt nicht«, widersprach seine Frau. »Es sind noch mindestens drei Klausuren, nicht wahr, Donatus?«
Wieder kam als Antwort ein undeutliches Murmeln, aber Lena Veesendonk war zufrieden. »Wie ich sagte, drei. Also ist gar nichts passiert.« Sie wandte sich an Berndorf. »Sie müssen entschuldigen, dass wir hier unsere häuslichen und schulischen Angelegenheiten vor Ihnen ausbreiten, aber das Abendessen ist für uns immer auch so etwas wie der Familienrat, ganz basisdemokratisch... Doch jetzt sollten Sie etwas von sich erzählen! Sie sind oder waren bei der Kriminalpolizei, sagte mein Mann …«
Offenbar war es eine Frage, und Berndorf erklärte, dass er vor einigen Jahren aus dem Dienst ausgeschieden sei.
»Aber Sie haben einen Auftrag, etwas zu ermitteln, etwas herausfinden?« Lena Veesendonk schien fest entschlossen, ein neues Gesprächsthema zu etablieren.
»Nein«, antwortete Berndorf, »ich hatte einen Auftrag, aber der ist abgeschlossen.«
»Erzählen Sie uns etwas davon? Oder dürfen Sie das nicht?«
»Er hatte den Auftrag, einen Mann zu finden«, schaltete sich der Richter ein. »Und den hat er wohl gefunden. Aber damit scheint er nicht zufrieden zu sein. Sonst wäre er nicht hier.«
Das verstehe sie nicht, meinte seine Frau. »Sie arbeiten jetzt also auf eigene Rechnung?«
»So könnte man es nennen«, meinte Berndorf.
»Zum Beispiel will er herausfinden, wie eine goldene Kette mit einem Ring daran hierhergekommen ist«, erklärte der Richter. »Hierher heißt in diesem Fall: nach Blaustein, in ein anständiges ordentliches Haus, nur ein paar Kilometer von uns entfernt.«
»Und warum«, wollte seine Frau wissen, »sollte die Kette nicht in dieses Haus gekommen sein?«
»Weil sie nicht dorthin gehört.« Michael Veesendonk wandte sich seinem Sohn zu. »Das ist übrigens eine Geschichte, die dich interessieren könnte. Es ist eine Geschichte, in der die Wehrmacht vorkommt. Die richtige ruhmreiche deutsche Wehrmacht.«
Sein Sohn warf ihm einen halb abwehrenden, halb trotzigen Blick zu, sagte aber nichts.
»Ich glaube«, wandte Lena Veesendonk ein, »das ist jetzt nicht das richtige Thema...«
»Aber warum denn nicht?«, beharrte ihr Mann. »Donatus sammelt doch alles, was er zur Geschichte der Wehrmacht findet. Orden, Abzeichen, Fotos von Marschällen, Generälen und... jetzt hätte ich beinahe
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