Beifang
gesagt: und anderen Mördern … Aber zur Geschichte der Wehrmacht gehört auch diese Kette und vor allem der Ring. Der ist etwas Besonderes, musst du wissen, eine Antiquität, vielleicht sogar eine kleine Kostbarkeit. Ein Finanzbeamter, so vermuten wir, hat ihn von einer Dienstreise in die von der Wehrmacht besetzten Gebiete mitgebracht, aber es ist ein jüdischer Ring, mit hebräischer Inschrift. Interessiert es dich nicht, Donatus, wie der Finanzbeamte zu diesem Ring mit dieser Inschrift gekommen sein könnte?«
Veesendonks Sohn schwieg.
»Hast du etwas gesagt?«
»Michael, bitte!«, sagte Lena Veesendonk. »Du musst ihn jetzt nicht zusätzlich unter Druck setzen.« Sie wandte sich an Berndorf. »Ich habe Ihnen ja nicht dreinzureden, aber ich finde doch,
dass mit diesen Geschichten allmählich Schluss sein sollte. Das tun auch nur wir Deutschen, so etwas noch einmal auszugraben …«
»Berndorf gräbt nichts aus«, unterbrach sie der Richter. »In diesem Fall ist es die Geschichte, die einfach nicht begraben sein will.«
»Ach du! Hör endlich mit deinen Wortspielereien auf«, fuhr ihn seine Frau an. »Und diese Sache da mit dem Ring … ich weiß ja nicht, was du da andeuten willst. Oder vielleicht weiß ich es doch. Aber das kann alles auch ganz anders gewesen sein. Der Ring ist in Blaustein aufgetaucht, ja und? Dort hat es, im Ortsteil Herrlingen, noch in den ersten Kriegsjahren ein jüdisches Altersheim gegeben, das weiß ich aus einem Geschichtsseminar der Kreisvolkshochschule, und die Leute dort haben halt auch gehamstert, das war im Krieg so, und deinen blöden Ring hat jemand eingetauscht, gegen ein paar Eier oder gegen ein Stück Fleisch …«
Sie hörte auf zu sprechen und sah triumphierend um sich. Ihr Blick traf auf den von Berndorf, und sie wandte sich wieder ihrem Teller zu.
»Herrlingen«, wiederholte Berndorf.
»Herrlingen, ja doch«, sagte der Richter. »Das Landschulheim der Anna Essinger, danach das jüdische Altersheim. Bis 1942, bis zur Deportation …« Er schüttelte den Kopf. »Man sieht das Nächstliegende nicht.« Er sah auf. Sein Sohn hatte sich geräuspert.
»Kann ich jetzt gehen?«, fragte Donatus.
Eine halbe Stunde später brachte Veesendonk seinen Besucher mit dem Wagen an den Bahnhof, zum letzten Zug, der an diesem Tag nach Ulm fuhr.
»Eigentlich hätte ich daran denken müssen«, sagte der Richter, als sie vor dem Bahnhof hielten.
Berndorf sagte nichts.
»Ich hätte daran denken müssen, dass der Finanzbeamte Gaspard seiner Frau wohl kaum einen Goldring mit eingravierten
hebräischen Buchstaben mitgebracht haben wird«, fuhr der Richter fort. »Jeder hätte sofort gewusst, wo er den Ring herhat und wie er zu ihm gekommen ist... Nein, nein. Wenn sich ein Bürokrat wie Gaspard etwas zur Seite schafft, dann dreht er das so, dass ihm niemand Ärger machen kann... Was meinen Sie?«
»Nichts«, antwortete Berndorf.
»Und was werden Sie als Nächstes tun?«
»Ich weiß es nicht.«
»Ich fürchte, Ihr Besuch bei uns hat Sie missgestimmt«, sagte der Richter. »Ich kann es verstehen, und ich muss Sie um Nachsicht bitten. Unser Sohn ist, wie Sie bemerkt haben, in einer sehr schwierigen Phase. Das setzt auch meiner Frau zu. Sie hat nie wahrhaben wollen, wie schwierig es sein kann, ein Kind zu adoptieren.«
Berndorf sagte nichts. Es lag ihm auf der Zunge zu sagen, dass man keine Kinder adoptieren sollte, wenn man sich später darauf hinausredet, es seien ja doch nicht die eigenen. Aber was wusste er!
»Richten Sie Ihrer Frau meinen Dank für das Abendessen aus«, sagte er und stieg aus. »Und für Ihren Hinweis.«
Dienstag, 19. Februar
Im Mordprozess Morny scheint der Große Unbekannte, mit dem Fiona Morny Stunden vor ihrem gewaltsamen Tod zusammen war, nun doch noch enttarnt worden zu sein: Es soll sich um einen bisher unbescholtenen Kommunalpolitiker aus dem Südbadischen handeln, dessen Name der Polizei angeblich schon länger bekannt gewesen ist. Dr. Elaine Drautz, die neue und äußerst scharfzüngige Anwältin des angeklagten Bundeswehrhauptmanns Morny, knüpft an diesen Umstand schwerwiegende Vorwürfe und spricht von einem Polizeiskandal. Ein solches Wort ist schnell in die Welt gesetzt, zu schnell, wie wir meinen. Würde es das Ulmer Landgericht sich mit seinen Urteilen so leicht machen wie diese Münchner Juristin mit ihren Worten, so wäre der Stab über ihren Mandanten längst gebrochen …
Berndorf ließ die Zeitung sinken und sah zu Frenzel, der
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