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Beifang

Titel: Beifang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Ritzel
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dir ein solches Zeug vorhält und dabei in Wirklichkeit von dem einen keine Ahnung hat und von dem anderen auch nicht.«

    »Egal«, sagte Kuttler. »Für heute hab ich Ruhe vor ihm.«
    Puck hatte sich seitlich neben ihn gelegt, so dass ihre Hand sein Glied erreichte und es behutsam einschloss. Plötzlich schien ihre Hand zu erstarren: Das Telefon hatte angeschlagen. Es lag auf dem Nachttischchen und begann auf der Glasplatte zu vibrieren und sich zu drehen.
    Warum hab ich das Scheißding nicht ausgeschaltet, dachte er, dann fiel ihm ein, dass er es ziemlich eilig gehabt hatte und Puck auch und dass er es das nächste Mal am besten im Wagen ließ …
    »Geh halt in Gottes Namen dran!«, sagte Puck und zog ihre Hand weg. Er nahm das Handy und meldete sich. Eine Weile hörte Kuttler nur zu und sagte nichts, bis zu einem ergebenen: »Ja, ich komm so schnell wie möglich.« Dann legte er das Handy zurück und blieb einen Augenblick so liegen wie zuvor, den Oberkörper auf dem einen Ellbogen aufgestützt.
    Beide schwiegen.
    Schließlich atmete Puck tief durch. »Du musst also noch mal weg«, sagte sie. »Reicht es noch für eine Tasse Kaffee?«
    »Nein«, meinte Kuttler, richtete sich auf und schwang die Beine vom Bett. »Es ist... ach Scheiße!«
    »Was hast du sagen wollen?«
    Kuttler schaltete die Nachttischlampe ein und stand auf. »Ich wollte sagen, dass es komisch ist. Aber das ist es nie.«
     
     
     
    In das gleichmäßige Brausen des Fahrgeräuschs mischte sich der Bordlautsprecher: »Verehrte Fahrgäste«, gab der Zugführer durch, »in wenigen Minuten erreichen wir Ulm Hauptbahnhof.«
    Der Mann stand auf, zog seinen schwarzen Mantel an und setzte seinen zerbeulten Hut auf. Auch der Hut war schwarz. Früher als der Mann erwartet hatte, wurde der ICE abgebremst. Bogenlampen schoben sich am Abteilfenster vorbei, Schuppen, Werkstattgebäude, wurden langsamer, blieben stehen. Der Mann bückte sich und sah hinaus. Das ist der Bahnhof von Neu-Ulm, dachte er, so schön ist der nicht, dass ihr hier halten müsst!

    »Verehrte Fahrgäste«, über den Lautsprecher meldete sich schon wieder der Zugführer, »wegen einer Störung im Betriebsablauf ist die Einfahrt in den Hauptbahnhof Ulm vorübergehend blockiert. Wir hoffen, die Fahrt in wenigen Minuten fortsetzen zu können.«
    Störung im Betriebsablauf? Der Mann runzelte die Stirn. Es geht dich nichts an, sagte er sich dann. Auf der Ausstiegsplattform vor ihm stritt sich ein Mensch, der einen Schlapphut zu einem Lodenmantel trug und einen cholerisch gesträubten Schnauzbart im Gesicht hatte, mit dem Zugschaffner, weil sich die Tür nicht öffnen ließ: Warum er - »Herrgottsakrament noch mal!« - nicht aussteigen könne, wenn dies der Neu-Ulmer Bahnhof sei und sie damit so gut oder so schlecht in Ulm angekommen seien wie am Hauptbahnhof? Der Schaffner erklärte ihm geduldig, dass in Neu-Ulm kein fahrplanmäßiger Halt vorgesehen sei, außerdem habe der Fahrgast ja ein Ticket bis nach Ulm gelöst und demnach Anspruch, auch dorthin gebracht zu werden, worauf der Mensch im Lodenmantel wissen wollte, wieso - wenn es hier keinen fahrplanmäßigen Halt gebe - dieser depperte Zug dann stehen geblieben sei und ob der Schaffner vielleicht glaube, die Bahn habe nicht ohnehin mehr als genug Verspätungen und selbst bei ihren eselsgeduldigsten Kunden längst allen Kredit verspielt und verwirtschaftet? Er wartete dann aber keine Antwort ab, sondern leitete über zu einigen ausführlicheren Mutmaßungen, welche die Intelligenz des Schaffners betrafen sowie die unternehmerische Kompetenz der Verantwortlichen der Bahn AG insgesamt und deren Rechtschaffenheit...
    »Könnten Sie nicht Ihren Zugführer anrufen«, schaltete sich der Mann in dem schwarzen Mantel ein, an den Schaffner gewandt, »und bitten...«
    Eine neuerliche Lautsprecherdurchsage unterbrach ihn: Die Weiterfahrt verzögere sich leider, aber die Fahrgäste mit Fahrziel Ulm könnten hier in Neu-Ulm aussteigen und ihr Fahrziel mit dem öffentlichen Personennahverkehr erreichen, die Fahrkarten seien für dessen Benutzung gültig.
    Die Tür öffnete sich. »Na also!«, sagte der Mensch im Lodenmantel,
stieg aus, eine schwere Aktentasche schwingend, der Mann im schwarzen Mantel folgte bedächtig, den Träger seiner Reisetasche über der Schulter.
     
     
     
    Der Tag war von den Morgenstunden bis lange in den Nachmittag hinein spätwinterlich kalt, aber klar gewesen. Jetzt hing Nebel zwischen den Bahnsteigen und ihren Lampen,

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