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Beifang

Titel: Beifang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Ritzel
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Mit drei Schritten war Kuttler neben dem Tisch, streifte einen Plastikhandschuh über und holte vorsichtig ein silbern glänzendes Handy aus der Folie, in die es eingepackt war. Er warf einen warnenden Blick auf die beiden anderen Männer und nahm das Gespräch an.
    »Ja, bitte?«
    »Moment...«, sagte eine Männerstimme. Sie klang überrascht. »Mit wem bin ich denn, bitte, verbunden?«
    »Wollen Sie mir nicht zuerst Ihren Namen sagen?«, fragte Kuttler zurück. »Und wen Sie sprechen wollen?«
    Keine Antwort. »Ihren Namen bitte«, wiederholte Kuttler, aber die Verbindung war abgebrochen. Er rief die Anrufliste des Handys
auf. Dort war zwar die Uhrzeit des Anrufs registriert, aber nicht die Nummer.
    »Was war das für ein Anruf?«, wollte Dorpat wissen.
    Kuttler betrachtete das Handy, als sollte dieses Auskunft geben. »Der Anrufer hat sich nicht gemeldet«, antwortete er schließlich.
     
     
     
    Schuhe!«, sagte der Mann vom Streckenkontrolldienst, »wenn die wirklich einen Wert haben sollen - also richtig handgemachte Schuhe aus einem richtig guten Leder, so dass sie fest sind und den Fuß halten und die Nähte nicht gleich nach den ersten fünfhundert Kilometern aufgehen: dann kannst du das gar nicht bezahlen, du nicht und ich nicht... Der Schuh, von dem du da redest: Was für Nähte hat der gehabt?«
    »Hör auf«, sagte Kilian Schröttle, verzog das Gesicht und nahm einen tiefen Schluck aus seinem Bierglas, als müsse er einen widerlichen Geschmack hinunterspülen. »Hör bloß auf damit. Ich ertrag das nicht.«
    »Wer hat denn mit dem Scheißthema angefangen?«, warf der Wirt ein. Er hatte sich an den verlassenen Stammtisch gesetzt und war dabei, die Speisekarte für den nächsten Tag zu schreiben.
    »Du bist mir ein Freund!«, antwortete Schröttle. »Wozu geht einer in die Kneipe, wenn er nicht einmal mehr...«
    Er brach ab, denn die Türe öffnete sich, und ein Mann in einem dunklen Mantel und mit einem dunklen Hut trat ein. Unwillkürlich blickte auch der Wirt auf, denn Gäste mit Hut kamen ins »Stellwerk« nur selten oder nie. Der Mann setzte sich an den Tresen und legte Hut und Handschuhe ab.
    »Hier haben Sie sich aber lang nicht mehr sehen lassen.« Der Wirt war aufgestanden und hinter den Tresen gegangen.
    »Mag schon sein«, antwortete Berndorf.
    »Einen kleinen Schwarzen?«
    Berndorf nickte. Der Wirt machte sich an der Espressomaschine zu schaffen.

    »Könnt ich so spät nicht mehr trinken«, meinte Schröttle. »Mir graust es eh schon, wenn ich ans Schlafen denk.«
    »Lass den Herrn in Ruhe«, sagte der Wirt und drückte den Einsatz mit dem frischen Kaffeepulver in die Maschine.
    »Das ist schon recht«, widersprach Berndorf und wandte sich an Schröttle. »Und was ist mit dem Schlafen?«
    »Nichts wird sein«, antwortete Schröttle, trank sein Bier aus und stellte das leere Glas hin. »Machst du mir da mal die Luft raus?«
    Sein Blick kehrte vom Wirt zu dem späten Gast zurück, was der Mann vom Streckenkontrolldienst dazu nutzte, sich wieder ins Gespräch zu bringen. Er zeigte nach links, dorthin, wo das Bahngelände war. »Da ist heute einer vorn Zug gefallen, und wissen Sie, wer ihn hat aufsammeln müssen?«
    »Das wird sich der Herr wohl schon gedacht haben«, meinte der Wirt und stellte das Tässchen mit dem Espresso vor Berndorf und dazu ein Glas Wasser.
    Der Streckenkontrolleur gab nicht auf und zeigte mit dem Bierglas auf Schröttle. »Unser Kollege hier hat ihn aufgesammelt. Der ist das nicht gewöhnt, wissen Sie?«
    »Spiel dich nicht auf!« Schröttle schüttelte den Kopf. »Was das heißt: so einen aufsammeln, das wisst ihr hier alle nicht.«
    »Kann schon sein«, meinte Berndorf friedfertig. Der Wirt warf ihm einen verwunderten Blick zu und machte sich daran, ein neues Bier zu zapfen.
    »Es war ein Güterzug, müssen Sie wissen«, fuhr Schröttle fort. »Und bis so einer zum Halten kommt, das dauert. Und dann nimmt der verfluchte Zug alles mit, was sich im Fahrwerk verhängt und was die Räder so abtrennen und aufwirbeln.«
    Der Wirt stellte das Bier vor Schröttle und ging wieder zum Stammtisch zurück.
    »So?«, machte Berndorf und trank einen Schluck von seinem Espresso.
    »Ich hab ja schon viel gesehen«, fuhr Schröttle fort. »Einmal, da hat sich einer bei Amstetten vor den Zug geworfen, es war der Regionalzug um siebzehn Uhr fünfzehn nach Geislingen,
wissen Sie? Und es hat ihm den Kopf abgetrennt. Das war schrecklich und auch wieder nicht. Der Kopf hat einen angeschaut,

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